Gastbeitrag der Uelzener Bundestagsabgeordneten Anja Schulz (FDP): Schwarz-rote Schuldenberge: Wer zahlt die Rechnung?
In Berlin ringen die Fraktionen um die künftige politische Marschrichtung. Dabei spielt auch eine gewollte Neuverschuldung eine wichtige Rolle.
Lesen Sie dazu den Gastbeitrag der Uelzener Bundestagsabgeordneten Anja Schulz (FDP):
Am 13.03. hat der Bundestag über tiefgreifende Grundgesetzänderungen debattiert. Union und SPD haben sich auf ein Schuldenpaket historischen Ausmaßes verständigt. Obgleich am 23. Februar der Bundestag neu gewählt worden ist, möchte die neue Koalition noch die Mehrheitsverhältnisse im derzeitigen Bundestag nutzen, um ihr Paket zu verabschieden. Der Grund für den aller Voraussicht nach nächsten Bundeskanzler Friedrich Merz ist, dass seine künftige Koalition über keine gesicherte Mehrheit für Grundgesetzänderungen im nächsten Bundestag verfügt. Bei dem geplanten Schuldenpaket geht es zum einen darum, dass die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands schneller hergestellt werden soll. Zum anderen wurde ein Sondervermögen zur Modernisierung der Infrastruktur beraten. Mit einer Schulden-Flatrate für Verteidigungsausgaben und zusätzlichen 500 Milliarden für die Infrastruktur soll die Schuldenbremse faktisch ausgehebelt werden.
Eine bessere Ausstattung der Bundeswehr ist aufgrund der angespannten geopolitischen Lage dringend nötig. Hierfür hat die FDP-Bundestagsfraktion einen eigenen Gesetzesvorschlag eingebracht. Ich möchte mich in diesem Beitrag jedoch auf das Thema der Investitionen in die Infrastruktur beschränken.
Das 500 Milliardenpaket für die Infrastruktur ist keine bahnbrechende Lösung. Strukturreformen? Fehlanzeige. Einsparpotenziale im Haushalt? Ignoriert. Generationengerechtigkeit? Kein Thema. Stattdessen neue Schulden im Überfluss, für deren Tilgung und Zinsen unsere Kinder und Enkel teuer werden aufkommen müssen. Warum ist das so und wer trägt die Rechnung?
Vor allem die jungen Menschen. Auf sie kommen steigende Abgaben- und Zinslasten bei schwindenden finanziellen Spielräumen zu. Und schon jetzt zeigen sich die ersten Folgen dieser heiß laufenden Schuldenspirale. Denn seit der Ankündigung der schwarz-roten Schuldenberge sind die Renditen unserer 10-jährigen Staatsanleihen in die Höhe geschnellt. Das bedeutet für den Staat höhere Kosten für den Schuldendienst und wird in der Zukunft ein weiteres Milliardenloch in die Staatskasse reißen. Und für Unternehmen, Bauherren und all jene Bürger, die sich etwa den Traum vom Eigenheim erfüllen wollen, hat das schon heute Auswirkungen. Denn wenn die Zinsen für Staatsanleihen steigen, verteuern sich auch die Kredite für private Häuslebauer sowie die Wirtschaft.
Aber der Reihe nach.
Die Unklarheit über die tatsächlichen Investitionen
Das Sondervermögen zur Modernisierung der Infrastruktur, das von Union und SPD ins Gespräch gebracht wurde, hat das Potenzial, die Schuldenlast erheblich zu erhöhen. Ja, unsere Infrastruktur braucht ein Update. Doch es sind erhebliche Zweifel angebracht, ob das vorgeschlagene Sondervermögen wirklich zukunftsgerichtet eingesetzt wird. Union und SPD argumentieren zwar, dass die Jungen von einer besseren Infrastruktur profitieren. Doch was genau gilt eigentlich als „Investition in die Infrastruktur“?
Eine klare Definition kennt die Haushaltsgesetzgebung nicht. So kann auch ein Darlehen an die gesetzliche Rentenversicherung darunterfallen. War jedem klar, dass Infrastruktur nicht nur Straßen, Schienen und Brücken bedeuten muss, sondern auch die Finanzierung laufender Sozialausgaben? So könnte ein Teil dieser neuen Schulden zur Stabilisierung der Rentenkasse genutzt werden, eine Maßnahme, die politisch als „soziale Infrastruktur“ deklariert wird, aber faktisch eine Umverteilung anstelle einer nachhaltigen Zukunftsinvestition darstellt.
Richtig ist, dass die Rentenversicherung unter massivem Druck steht. Grund dafür ist der demografische Wandel, dessen negativen Folgen nur mit weitreichenden Reformen begegnet werden kann, wie beispielsweise mit einer teilweisen Kapitaldeckung der gesetzlichen Rente. Die vorgesehenen Maßnahmen der künftigen Koalition verschärfen hingegen die finanzielle Schieflage noch weiter: Die Festschreibung des Rentenniveaus bis 2045 wird zusätzlich 500 Milliarden Euro kosten. Und die Ausweitung der Mütterrente schlägt jährlich mit 5 Milliarden Euro zu Buche. Diese Maßnahmen kommen vor allem der älteren Generation zugute, bezahlen müssen sie allerdings die Jüngeren. Und zwar gleich doppelt, zum einen durch steigende Rentenbeiträge und zum anderen durch die Schulden der neuen Sondervermögen, deren Zins- und Tilgungslasten sie schultern müssen.
Wenn Infrastruktur plötzlich alles bedeuten kann, was sich im weitesten Sinne als gesellschaftlicher Nutzen verkaufen lässt, dann könnte man zugespitzt sagen, auch die Finanzierung von NGOs wäre eine „Investition in unsere zivilgesellschaftliche Infrastruktur“.
Die Gefahr besteht also, dass die frischen Milliarden in Maßnahmen fließen, die wenig mit zukunftsfähiger Infrastruktur zu tun haben. Vielmehr werden damit schwarz-rote Wahlgeschenke finanziert, und dies auf Kosten der nachfolgenden Generationen.
Und zugleich gibt es den angenehmen und auch beabsichtigten „Nebeneffekt“, dass durch den Milliardensegen bei Verteidigung und Infrastruktur der Kernhaushalt des Bundes entlastet wird und in diesem Milliarden für weitere politisch gefärbte Wohltaten frei werden. Durch diesen Verschiebebahnhof der Milliarden lässt sich eine Reduzierung der Stromsteuer auf das EU-Mindestniveau leichter finanzieren. Dabei wäre dies keine investive Ausgabe, sondern eine Subvention. Sachgerechter wäre es vielmehr, den Netzausbau deutlich voranzutreiben. Davon profitieren alle.
Maßnahmen von Union und SPD haben nur ein Ziel: sie öffnen einer ungebremsten Turboverschuldung Tür und Tor, damit die Koalition keine Prioritäten bei den Ausgaben setzen und Einschnitte vermitteln muss. Durch die Kunstgriffe soll einer Schuldenpolitik ohne klare Prioritäten auf Kosten der künftigen Generationen ohne einen einzigen Mehrwert geschaffen werden.
Schulden sind keine Lösung für die Zukunft
Mit Schulden allein werden wir die Probleme nicht lösen. Das zeigt das Beispiel der Bundeswehr, die 2022 direkt nach dem Angriffskrieg von Putin mit einem Sondervermögen von 100 Milliarden Euro ausgestattet wurde. Bis heute ist hiervon gerade einmal ein Viertel tatsächlich abgeflossen. Das wahre Problem ist nicht der Geldmangel, sondern sind ineffiziente Strukturen und langwierige Bürokratieprozesse. Diese Erkenntnis muss auch auf die Infrastrukturmodernisierung übertragen werden. Mehr Geld und vor allem mehr Schulden sind kein Allheilmittel.
Forderung nach einer ehrlichen Prioritätensetzung
Anstatt also fragwürdige Projekte mit neuen Schulden zu finanzieren, braucht es eine klare Fokussierung auf zukunftsweisende Maßnahmen und tiefgreifende strukturelle Reformen. Planungs- und Genehmigungsverfahren müssen deutlich beschleunigt werden, indem Bürokratie abgebaut, verbindliche Fristen gesetzt und klare Zuständigkeiten definiert werden. Gleichzeitig dürfen öffentliche Gelder nicht in ineffizienten Verwaltungsstrukturen versickern. Stattdessen braucht es agile Prozesse und eine moderne Beschaffung, die auch innovative Startups einbindet. Investitionen müssen zudem echten Mehrwert schaffen – in Digitalisierung, Infrastruktur und Zukunftstechnologien, statt in teure Subventionen ohne langfristige Wirkung.
Doch genau diese Weichenstellungen bleiben aus. Statt mutiger Reformen wählt Schwarz-Rot lieber den bequemeren Weg. Mit dem süßen Gift immenser Schulden soll entschlossenes Handeln suggeriert werden. Und das wird langfristig nicht nur teuer, sondern gefährlich. Erst vor kurzem mahnte die Bundesbank, dass bei einer Staatsverschuldung von 100 % des BIP und einem Zinsniveau von 2,3 % die jährlichen Zinslasten um zusätzliche 50 Milliarden Euro steigen könnten. Das gefährdet nicht nur finanzielle Spielräume für künftige Generationen, sondern untergräbt auch das Vertrauen der Kapitalmärkte in Deutschland. Geringeres Vertrauen bedeutet weiteren Risiko- und Zinsaufschläge für die Refinanzierung der Schulden Deutschlands. Darüber hinaus könnte der deutschen Verschuldungsexzess negative Wirkungen auf Europa haben. Verliert Deutschland wegen galoppierender Verschuldung sein hervorragendes Rating, könnte sich dies auch negativ auf die Spreads anderer EU-Mitgliedstaaten auswirken. Ganz zu schweigen davon, dass Deutschland nicht mehr als Vorbild für solide und stabile Staatsfinanzen gelten würde.
Reformen statt Sondervermögen
Anstatt die Schuldenbremse immer weiter aufzuweichen, brauchen wir eine Politik, die auf nachhaltige Lösungen statt auf kurzfristige Finanzspritzen setzt. Die junge Generation darf nicht die Zeche für Entscheidungen der heute politisch Verantwortlichen bezahlen, indem einseitig ihre Zukunft belastet wird. Es ist höchste Zeit, dass wir in zukunftsfähige Reformen investieren, die langfristig Wohlstand und Stabilität sichern, und zwar nicht durch neue Schulden, sondern durch eine effizientere Nutzung der vorhandenen Mittel und eine nachhaltige Reform der staatlichen Strukturen.
Die Zeit für echte Veränderungen ist jetzt.
Anja Schulz
Mitglied des Deutschen Bundestages