Reaktionen auf die Neubaupläne der Deutschen Bahn - Landrat Dr. Heiko Blume: „Wenig Bahnverkehr, viel Frust“ - Bürgermeister Jürgen Markwardt: "Uelzen darf nicht vom Fernverkehr abgehängt werden!"

Von Michael Michalzik
Uelzen/Landkreis. Die immens wichtige Bahntrasse Hamburg-Uelzen-Hannover ist längst an ihre Grenzen gestoßen. Der Bahnverkehr nimmt seit vielen Jahren zu, die Strecke kann dem nicht standhalten. Im Raum stand die grundsätzliche Frage: Soll eine komplett neue Trasse gelegt werden - oder kann die bestehende Strecke ausgebaut werden, die sogenannte Variante Alpha-E? Lange hüllte sich die Deutsche Bahn bezüglich ihrer Pläne in Schweigen. Besorgte Bürger reagierten und gründeten Initiativen. Etwa in Uelzen gegen den „Trassenwahn der Bahn“. Nach Jahren der Ungewissheit verkündete der damalige Bundesverkehrsminister Volker Wissing im vergangenen August: Es wird die Variante Alpha-E. Doch seit vorigem Freitag ist die Lage wieder vollkommen neu. Denn die Deutsche Bahn hat überraschend Pläne auf den Tisch gelegt, die einen Neubau entlang der A7 vorsehen - und damit den traditionsreichen Bahnknotenpunkt Uelzen in weite Entfernung zur Hauptstrecke rücken würden. Reaktionen:
Uelzens Landrat Dr. Heiko Blume: „Das Verhalten der Deutschen Bahn ist extrem irritierend. Und leider muss ich sagen: immer noch! Zum einen Kommunikation: Wenn ich als Landrat von den Überlegungen der Bahn, an der A7 eine Neubaustrecke zu bauen, über eine Presseanfrage erfahre, ist das ein No go.
Und in der Sache gilt: 2015 wurde im ‚Dialogforum Schiene Nord‘ in zahllosen Sitzungen und Gesprächen ein fast einhelliger Konsens in der Lüneburger Heide erzielt: nämlich das sog. Alpha E. Mit diesem insbesondere auf Sanierung und auch Gleiserweiterungen fußenden Konzept können die Kapazitäten der Bahn erweitert werden, und zwar schnell. Ich war bei allen Sitzungen dabei und kann bestätigen, dass da wirklich sachlich und intensiv gearbeitet und gerungen wurde. Bund, Land und Bahn sagten bei der Abschlussveranstaltung zu, sich an die Umsetzung des Alpha E zu machen. Allein, die Bahn macht sich seit zehn Jahren nicht an die Umsetzung. Sie plant seit zehn Jahren eine Neubaustrecke durch die Lüneburger Heide. Und der Bund ‚als Auftraggeber‘ der Bahn lässt diese gewähren. So tritt man den gesellschaftlichen Dialog aus dem Jahr 2015 mit Füßen, verspielt das Vertrauen der Menschen und schafft politischen Frust!
Es ist für mich nicht nachvollziehbar, dass der gangbare Weg ‚Alpha E‘ auch nach zehn Jahren von der Bahn nicht gegangen wird. Zehn verlorene Jahre und ganz viel verlorenes Vertrauen. Oder anders: wenig Bahnverkehr, viel Frust. Bund und Bahn müssen sich da ändern!
Die Deutsche Bahn versichert, dass die Bahnhöfe an der jetzigen Strecke Hannover-Hamburg, damit auch Uelzen, nicht abgehängt würden. Wie belastbar diese Aussage sein wird, bliebe bei einem Neubau abzuwarten. Und ob Mitarbeiter der Bahn, die heute Verantwortung tragen, Aussagen treffen können, die auch für ihre Nachfolger im Jahr 2040 oder später verbindlich sein werden, darf man getrost bezweifeln. Ein Neubau wird meiner Einschätzung nach Jahrzehnte dauern, auch wegen des massiven Widerstandes der Menschen in der Lüneburger Heide. Dieser Widerstand wäre bei uns im Landkreis mindestens so massiv wie in den Regionen westlich von uns.“
Uelzens Bürgermeister Jürgen Markwardt: „Die DB AG hat am Freitag im Rahmen einer Videokonferenz deutlich gemacht, dass die Kapazität des Ausbaus der Bestandsstrecke, bekannt unter Alpha-E, nicht ausreichen werde, um die zukünftigen Anforderungen des Schienenverkehrs abzudecken. Daher sei ein Neubau entlang der A 7 unumgänglich. Dies überrascht mich einerseits, wenn ich an die Ergebnisse des Dialogforums Schiene Nord aus 2015 denke, aber andererseits auch nicht, wenn ich täglich erlebe, wie unzuverlässig der Betriebsablauf des Nah- und Fernverkehrs auf der Strecke Hamburg – Hannover ist.
Für mich bleiben in diesem Zusammenhang drei Punkte von besonderer Wichtigkeit:
1. Keine Neubaustrecke durch den Landkreis und die Hansestadt Uelzen! Dies Ziel ist erreicht, denn diese Pläne sind wohl endgültig und ein für alle Mal vom Tisch. Ein großer Erfolg für die Menschen und Bürgerinitiativen hier vor Ort.
2. Uelzen darf nicht vom Fernverkehr abgehängt werden! In der Videokonferenz haben alle Beteiligten der DB, einschließlich Frau Plambeck, die Konzernbevollmächtigte für Niedersachsen, Hamburg, Schleswig-Holstein und Bremen, zugesichert, dass Lüneburg und Uelzen weiterhin wie heute ICE-Haltepunkte bleiben. Ich nehme hier alle beim Wort. Sollte der Standard von heute gewahrt bleiben, wäre ich mit dem Ergebnis zufrieden. Daneben wäre ein deutlicher Ausbau des Nahverkehrs möglich, also eine bessere Taktung und damit hoffentlich nicht so übervolle Züge, insbesondere nach Hamburg oder Hannover.
3. Höchstmöglicher, also übergesetzlicher Lärmschutz für die Region! Dies ist ein Ergebnis des Dialogforums Schiene Nord. Und dies wird auch in Zukunft umso wichtiger sein, denn es ist zu erwarten, dass Uelzen noch stärker mit dem besonders lauten Güterverkehr konfrontiert wird. Hier gibt es für mich keine Gründe, davon abzurücken. Ich erwarte, dass die DB AG, aber auch die Bundes- und Landespolitik, hier ihr Wort hält.“
Auch Bundestagsabgeordneter Henning Otte (CDU) übt scharfe Kritik und den neuen Plänen der DB: „Die jetzt von der Bahn vorgestellten Pläne für eine Neubautrasse durch die Heide sind absurd. Gegen alle Absprachen und Zusicherungen will die Bahn den Ausbau der vorhandenen Trasse nun doch nicht. Das Ergebnis des Dialogforums (und damit die Beteiligung der Akteure vor Ort) wurde in den Wind geschossen. Für die Menschen in Celle und Uelzen bedeutet dies, dass sie vom Fernverkehr abgehängt werden, keinen übergesetzlichen Lärmschutz bekommen, dafür aber mehr Güterverkehr und eine neue Zerschneidung der Landschaft. Genau dagegen habe ich die letzten 20 Jahre im Bundestag gekämpft und werde jetzt nicht aufhören.“
Ganz anders sieht man das in Lüneburg. So erklärt der dortige Landrat Jens Böttcher: „Als Landkreis Lüneburg begrüßen wir diese richtige und wichtige Entscheidung der Bahn ausdrücklich. Für unsere Region, für ihre wirtschaftliche Entwicklung und für das gesamte norddeutsche Schienennetz ist die Neubaustrecke Hamburg-Hannover zwingend erforderlich. Sie bedeutet eine Entlastung für die hiesigen Pendlerinnen und Pendler, befördert den klimafreundlichen Gütertransport auf der Schiene und ist zudem eine wesentliche Säule des von der Bahn angestrebten ‚Deutschlandtaktes‘.“
Auch Lüneburgs Oberbürgermeisterin Claudia Kalisch unterstützt die Neubau-Pläne: „Wer die Schiene in Norddeutschland wirklich zukunftsfähig machen will, kommt um den Neubau nicht herum“, machte Kalisch bereits in der Vergangenheit deutlich und betont es auch heute. Künftige Verkehrsbedarfe könnten nur über eine Neubaustrecke bewältigt werden. Entsprechend erleichtert ist Claudia Kalisch, „dass die Deutsche Bahn das jetzt auch so klar kommuniziert hat“.
Julia Verlinden, stellvertretende Vorsitzende der grünen Bundestagsfraktion aus Lüneburg: „Endlich hat das Bundesverkehrsministerium grünes Licht gegeben, dass die Bahn ihre Vorplanung veröffentlicht und damit Transparenz herstellt. Das fordern wir Grüne schon seit zwei Jahren. Die Nachfrage im Personen- und Güterverkehr auf der Schiene wächst. Kapazitäten können auf der Bestandsstrecke nicht ausreichend erweitert werden, um die Verkehrswende wirkungsvoll voranzubringen. Insofern bringt eine Neubaustrecke mit zwei zusätzlichen Gleisen von Hamburg nach Hannover Verbesserungen für Pendler*innen in der Region durch pünktliche und verlässlichere Züge, sowie auch mehr Züge im Fernverkehr. Das überzeugt mich.“
Foto: Michalzik