„Es steht gut um Uelzen“
- Subtitle: Uelzen
Uelzen. Jürgen Markwardt ist seit 2014 Bürgermeister der Hansestadt Uelzen. Der von SPD und Grünen unterstützte parteilose Verwaltungschef stellt sich im September erneut zur Wahl. Im Interview mit den Uelzener Nachrichten spricht Jürgen Markwardt über Erreichtes, aber auch über die Herausforderungen, vor denen die Hansestadt in den kommenden Jahren steht.
Sehr geehrter Herr Markwardt, Sie sind seit 2014 Uelzens Bürgermeister, zuvor waren Sie als Kämmerer für die Finanzen der Hansestadt verantwortlich. Was waren seitdem die wesentlichen Meilensteine der städtischen Entwicklung?
Jürgen Markwardt: Lassen Sie mich versuchen, diese vielen Fortschritte Uelzens auf den Punkt zu bringen: Wir haben die Ganztagsgrundschulen in Uelzen eingeführt. Wir haben die Digitalisierung, gerade in den Schulen, einen großen Schritt nach vorn gebracht. Es sind zwei neue Kitas gebaut worden, die Zahl der Ganztagsbetreuungsplätze in den Kitas haben wir seit 2014 verdoppelt. Es sind mehrere größere Baugebiete erschlossen worden. Der fast 20-jährige Trend, dass Uelzen immer weniger Einwohner*innen hat, ist gebrochen. Wir haben große Baugebiete erschlossen und das Großprojekt „Gewerbegebiet Hafen-Ost“ erfolgreich begonnen. Wir haben im letzten Jahr für unser Baugebiet in Oldenstadt-Deinefelde einen Preis als „Klimaschutzleuchtturm Niedersachsen“ gewonnen. Wir haben das Stadtmarketing professionell aufgebaut. Und schauen Sie sich nur in Uelzen um: Überall wird gebaut. In Uelzen zu investieren, ist gerade einfach „in“. Die Infrastruktur wird erneuert, denken Sie nur an die Sanierung des Theaters und des Parkhauses am Hundertwasser-Bahnhof. Nächstes Jahr werden alle Stadtbusse auf E-Mobilität umgestellt. Kurzum: Uelzen entwickelt sich an allen Ecken und Enden, und dabei haben wir es erstmals seit über zwanzig Jahren geschafft, eine stabile Haushaltssituation zu erreichen. Ich glaube, sagen zu dürfen: Es steht gut um Uelzen, auch wenn wir danach streben, noch besser zu werden.
Sie stellen sich im September erneut zur Wahl. Sie gehen in den Wahlkampf, müssen aber gleichzeitig das Amt des Stadtoberhaupts weiter ausüben und die Verwaltung leiten – 100 sicher sehr anstrengende Tage. Wie haben Sie sich für diese Zeit motiviert, was treibt Sie an?
Jürgen Markwardt: Um es klar zu sagen: Vorrang hat immer die tägliche Arbeit für die Stadt. Und es gibt zurzeit so viel zu tun, auf den verschiedensten Gebieten. Denken Sie nur an das Thema Corona, welches doch einen großen Anteil meiner täglichen Arbeit einnimmt. Aber ich muss mich nicht neu oder zusätzlich motivieren. Es geht mir weiterhin darum, unsere schöne Stadt weiter zu entwickeln, und dafür ist es auch wichtig, mit den Menschen ins Gespräch zu kommen, denn die Einwohner*innen sind doch die besten Experten für unsere Stadt. Und das kann ich gut mit dem Wahlkampf verbinden, wobei mir das Wort „Kampf“ überhaupt nicht gefällt.
Unterstützt von der SPD und den Grünen gehen Sie selbst nach wie vor ohne Parteibuch an den Start. Warum ist das so? Worin liegen die Vorteile der Parteilosigkeit?
Jürgen Markwardt: Ich war schon immer, auch zu meinen Zeiten als Polizeichef von Uelzen, parteilos. Da könnte ich den Menschen doch nun schlecht erklären, dass ich nur für eine Wahl in eine Partei eingetreten bin. Das machen vielleicht andere, mein Weg ist das nicht. Ich glaube aber auch, dass ich so viel besser in der Lage bin, Kompromisse für Uelzen über alle Parteigrenzen hinweg zu finden, wie es ja auch bei der durchaus heftigen Diskussion um die Uelzer Grundschulen geklappt hat. Für mich ist und bleibt entscheidend, welches die beste Idee für Uelzen ist, und nicht, aus welcher parteipolitischen Ecke diese Idee kommt.
Trotzdem freue ich mich natürlich sehr, dass die SPD und nun auch Die Grünen Vertrauen in mich setzen und mit mir gemeinsam die Uelzer Zukunft gestalten möchten. Die Zusammenarbeit ist auch jetzt schon exzellent, denn es sind sehr verlässliche Partner. Ich möchte aber nochmals betonen, dass das keine andere Partei, die sich in der gesellschaftlichen Mitte befindet, ausschließt. Nur mit Extremen kann ich nichts anfangen, daran wird sich nichts ändern.
Die Hansestadt Uelzen ist, auch dank starker ansässiger Unternehmen im Lebensmittelsektor, relativ gut durch die Pandemie gekommen. Anders sieht es in den Marktstraßen aus, die darben. Was ist zu tun, um dort für neue Impulse zu sorgen?
Jürgen Markwardt: Es stimmt tatsächlich, Uelzen ist bisher besser durch diese schwere Krise gekommen als manche andere Stadt. Dafür ein ganz großes Kompliment und herzlichen Dank an alle Uelzer Unternehmen.
Die Innenstadthändler und Gastronomen sind mit Ausnahme der Supermärkte und Drogerien natürlich am schwersten von der Pandemie betroffen. Sie mussten teilweise über ein halbes Jahr durchgehend das jeweilige Geschäft geschlossen halten, was für eine Herausforderung. Wir versuchen, über unser Stadtmarketing gerade in der Restartphase die erforderlichen Impulse zu setzen, um die Menschen wieder in die Innenstadt zu ziehen. Dies scheint auch ganz gut zu klappen. Auch haben wir uns bei einem Förderprogramm beworben, um bis zu 1,2 Millionen Euro für die Innenstadt zu akquirieren. Diese Gelder wollen wir gern einsetzen und ergänzen, um beispielsweise Ladenflächen anzumieten und günstiger weiterzugeben. Auch ist die Aufenthaltsqualität in der Innenstadt ein wesentlicher Faktor für das Wohlempfinden in der Innenstadt. Hier wollen wir noch besser werden. Und letztlich glaube ich, dass der Verkehr in den Marktstraßen dauerhaft neu geordnet werden muss. Ich glaube nicht, dass weiterhin jeder zu jederzeit mit seinem Auto durch die Marktstraßen fahren muss. Hier würde ich eindeutig dem Rad- und Fußgängerverkehr Vorrang einräumen, jedenfalls mindestens zu fest definierten Zeiten.
Uelzen ist als Lebensmittelpunkt gefragter denn je. Können Bauplatz-Ausweisungen und die Schaffung neuer Infrastrukturen mit der Nachfrage mithalten? Wie sollen Wohnen und Leben in Uelzen künftig aussehen?
Jürgen Markwardt: Uelzen erlebt zurzeit einen Nachfrage-Boom. Gucken Sie in die einschlägigen Seiten, Sie finden kaum mehr ein Angebot. Da halten wir mit der Ausweisung neuer Baugebiete gegen. Das passiert gerade in Kirchweyhe, aber auch in Holdenstedt, Westerweyhe und Oldenstadt. Und in Molzen befinden wir uns in unmittelbarer Planung, der Bereich Groß Liedern, beziehungsweise Hanstedt II stehen auf unserer Agenda. Sie merken, auch wenn die Innenstadtbebauung eindeutig Vorrang genießt, ist das überwiegend das Feld von Investoren, die Ergebnisse sind gerade im Entstehen, ich könnte hier viele Beispiele nennen. Und in den Ortsteilen legen wir nach. Denn schließlich gehe ich immer noch davon aus, dass die A 39 kommt, und dann erleben wir den nächsten großen Impuls zur Weiterentwicklung.
Die Verkehrsinfrastruktur der Hansestadt ist an ihre Grenzen gekommen. Welche Wege wird die Verwaltung gehen, um flüssigen Individualverkehr und ÖPNV für die kommenden Jahre sicherzustellen?
Jürgen Markwardt: Mobilität ist eines der Schlüsselthemen der Zukunft, nicht nur in Uelzen, sondern weltweit. Es zahlt auf so viele weitere wichtige Bereiche ein, denken Sie nur an die Wirtschaft, aber auch an die Aufenthaltsqualität. Und dabei geht es um so viel mehr als nur den heutzutage überwiegend verbrennungsmotorbezogenen Pkw-Verkehr. Es geht um Rad- und Fußgängerverkehr, um den öffentlichen Personennah- und -fernverkehr. Welchen Einfluss wird die Digitalisierung auf den Verkehr haben, welche Apps werden wir nutzen? Und haben wir noch alle ein eigenes Fahrzeug oder teilen wir uns dieses? Das ist nur ein kleiner Ausschnitt der Fragen, die wir mit dem gerade angeschobenen Mobilitätskonzept beantworten wollen, welches bis 2022 beendet sein soll und uns für mehrere Jahrzehnte als Richtschnur weiterer verkehrlicher Entwicklung dienen soll. Und dazu brauchen wir auch die Meinungen der Uelzerinnen und Uelzer, die ich hiermit herzlich einlade, gern über das Internet oder andere analoge Wege teilzunehmen. Deswegen kann ich die Frage noch nicht abschließend beantworten, denn ich möchte nicht vorgreifen. Aber eines kann ich doch verraten: Ich würde mich in meiner nächsten Amtszeit stark für den Ausbau des Fahrradverkehrs in Uelzen einsetzen, denn dort haben wir echten Nachholbedarf.
Die Digitalisierung stellt kommunale Verwaltungen derzeit vor eine Mammutaufgabe. Wann können die Uelzener mit dem Open Rathaus rechnen, und welche Vorteile ergeben sich daraus für sie?
Jürgen Markwardt: Ja, die Digitalisierung ist eine große Aufgabe für die Verwaltung, aber trotzdem gut zu schaffen. Und wir sind bereits auf einem guten Weg: Noch bis Ende dieses Jahres werden wir OpenR@thaus eingeführt haben, womit den Bürger*innen deutlich mehr digitale Dienstleistungsprozesse zur Verfügung stehen werden. Denn das Ziel muss klar sein: In den nächsten drei bis fünf Jahren muss es möglich sein, die Verwaltung rund-um-die-Uhr zu erreichen – und zwar von überall aus. Hier liegt auch der große Vorteil für die Bürger*innen: Zeitersparnis und Unabhängigkeit. Wir sind bereits in einigen Bereichen digital zu erreichen, aber das ist nur ein Zwischenschritt zur digitalen Verwaltung. Die große Aufgabe liegt aber auch darin, alle Hintergrundprozesse im Rathaus zu digitalisieren, und auch diese Aufgabe beginnen wir jetzt. Aber lassen Sie mich eines klarstellen: Ich glaube, dass die Verwaltung auch immer noch über die aktuellen Wege, also persönlich oder telefonisch, erreichbar sein muss. Denn nichts ist nerviger, als wenn man in irgendeiner anonymen Warteschlange hängt. Das persönliche Gespräch ist und bleibt unbezahlbar.
Was gefällt Ihnen an Uelzen am besten?
Jürgen Markwardt: Ich habe bewusst die Entscheidung getroffen, in Uelzen leben zu wollen, und ich möchte nirgendwo anders mehr wohnen. Uelzen hat für mich die richtige Größe zwischen Stadt und trotzdem noch ländlichem Flair. Hier kennen wir uns, und wir wissen uns gegenseitig zu schätzen. Hier ist noch der private Schnack in der Stadt möglich, aber ich finde auch alles, was ich zum Leben brauche, direkt vor der Tür. Uelzen ist eine unfassbar grüne Stadt, hat tolle Naherholungsgebiete, und ich liebe es, in den Lokalen Uelzens zu sitzen, alle zu kennen und lecker Essen zu gehen. Und die Kulturszene ist wohl aufgrund ihrer Vielfältigkeit einmalig in Städten unserer Größe. Der Stadtwald, der O-See, die Ilmenauwiesen… wo soll ich anfangen, wo aufhören? Uelzen ist und bleibt meine Herzensangelegenheit! Und das Allerwichtigste sind die tollen Menschen, die hier leben, sich für ihr Uelzen einsetzen und Uelzen ausmachen. Die Stadt ist nur die schöne Hülle, die Menschen sind Herz und Seele dieser Stadt!
Wenn es der Beruf erlaubt – wie und wo findet der Privatmann Jürgen Markwardt Ruhe und Erholung?
Jürgen Markwardt: Wer regelmäßig den Stadtwald, gerade das Wildgatter, besucht, der wird mich immer wieder dort finden, manchmal außer Atem, manchmal, wenn es die körperliche Form erlaubt, topfit. Und da ich jeden Tag mit dem Fahrrad zur Arbeit fahre, nehme ich mir auch immer wieder gern die Zeit für einen kleinen Abstecher in andere Bereiche unserer schönen Stadt. Meine kleine Patchwork-Familie gibt mir auch den nötigen Halt für Rückzug und Durchatmen, was in dieser unruhigen Zeit so unglaublich wichtig ist. Und letztlich wird es wohl immer dabei bleiben: Es gibt keinen Tag, an dem ich nicht wenigstens ein paar Seiten in einem tollen Buch lese…
Foto (Hansestadt Uelzen): Uelzens amtierender Bürgermeister Jürgen Markwardt stellt sich im September erneut zur Wahl.