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Diskussion mit der Bundestagsabgeordneten Anja Schulz (FDP) und Autor Christoph Giesa zum Thema „AfD“: Mit den Mitteln der Demokratie gegen die neuen Netzwerke der Rechtsextremen

  • Subtitle: Uelzen

Von Michael Michalzik

Uelzen. Wenn jetzt Bundestagswahlen wären, käme die „AfD“ auf 20 bis 25 Prozent der Wählerstimmen. Sind das wirklich noch Protestwahlen? Die FDP-Bundestagsabgeordnete Anja Schulz ging am Mittwochabend gemeinsam mit Autor und Publizist Christoph Giesa, Experte in Sachen Rechtsextremismus, dieser Frage vor vielen Zuhörern in Uelzen nach. Wie relevant das Thema ist, zeigte sich daran, dass der Raum im Café Stadtgarten bis auf den allerletzten Platz besetzt war.

„Die politische Landschaft hat sich in den vergangenen Jahren extrem verändert“, erklärte Anja Schulz, die sich seit Jahren gegen Rechts engagiert: „Das sind nicht nur Protestwähler, viele machen das bewusst.“ Dabei werde die „AfD“ vom Verfassungsschutz als rechtsextremistischer Verdachtsfall eingestuft. Deutschland stütze sich auf Meinungsfreiheit und Demokratie: „Aber ich nehme verstärkt war, dass die Stimmen gegen Rechtsextremismus immer mehr verstummen.“ Die Welt sei nicht nur schwarz oder weiß, sondern grau, im besten Fall bunt: „Wir brauchen auch bei diesem Thema Aufklärung und sachlichen Umgang.“

Christoph Giesa hielt fest: „Eine liberale Demokratie zeichnet sich durch Mehrheitsentscheidungen unter Wahrung der Rechte des Einzelnen aus.“ Der Publizist warnte deshalb vor den intelligenten Netzwerken der Neuen Rechten, die nicht mehr platt mit klassischem „Nazi-Code“ daherkämen: „Früher wusste man, der „NPD“-Vorsitzende war selbst noch in der SS und fand das klasse.“ Heute erfolge der Angriff von der rechten Seite viel koordinierter und klüger. Geblieben sei das Streben nach einfachen Antworten. Was mit den viel zitierten straffälligen Ausländern geschehen solle, sollte die „AfD“ theoretisch das Sagen im Land haben, werde nie zu Ende erzählt: „Das war auch damals in der Weimarer Republik so. Die Rechten haben da aufgehört, wo Hitler weitergemacht hat.“

Die „AfD“ habe derzeit Rückenwind: „Bei diesen Werten hat doch plötzlich jeder Leute in seiner Nähe, die sagen, die ‚AfD‘ ist wählbar.“ Es sei falsch zu glauben, der Staat werde es schon richten. Auch ein Verbot werde das Problem nicht lösen: „Sie können ihr Denken nicht verbieten.“ Je schlechter es Deutschland gehe, desto besser für die „AfD“. Es helfe in der Tat nicht, so zu tun, als wenn es in Deutschland keine Probleme gebe: „Aber warum wollen dann trotzdem Millionen Leute nach Deutschland? Weil sie wissen, dass sie hier frei sind.“ Die ständigen Streitereien in der Ampel sähen vielleicht nach außen nicht gut aus: „Aber das ist doch das, was wir wollen: einen harten, demokratischen Streit, um dann eine Lösung zu finden.“

Giesa betonte, dass er nicht glaube, dass das bestehende Regierungssystem kippen werde: „Berlin ist nicht Weimar.“ Anja Schulz: „Wichtig ist, dass die demokratischen Parteien zusammenhalten. Wir bekommen im Bundestag regelmäßig Personalvorschläge der ‚AfD‘ für Kontrollgremien. Aber die konnten uns bislang alle nicht überzeugen.“ Die „AfD“ zeige immer nur auf Probleme, biete aber nie Lösungen an.

Dass es unter anderem große Probleme an den Schulen gebe, bereitet auch Christoph Giesa Sorgen: „Durch Corona sind neue Probleme entstanden, es gibt Schulanfänger, die zum Teil einen Stift nicht halten können, es begegnen sich die unterschiedlichsten Kulturen, Kinder aus der Ukraine kommen hinzu, teils traumatisiert. Und die Schulen werden damit alleingelassen. Wir müssen zeigen, dass wir auch solche Themen hart diskutieren können, ohne dass es eine rassistische Konnotation gibt. Das ist eine Kunst, und ich habe manchmal die Sorge, dass wir die verlernt haben.“ Eine Diskussion über Friedrich Merz und eine Brandmauer gegen Rechts helfe der „AfD“: „Die lachen sich darüber kaputt.“

Hart ins Gericht ging Autor Giesa auch mit der Russlandfreundlichkeit der „AfD“ ins Gericht: „Das sind Putins Lakaien.“ Deutsche „AfD“-Leute reisten durch Russland und verbreiteten Lügen darüber, dass man in Deutschland nicht mehr auf die Straße gehen könne, ohne von Ausländern bedroht zu werden. Dem Geraune der wenigen „AfD“-Vertreter im Raum entgegnete Giesa: „Ich war in Russland. Ich bin dort viel gereist. Ich bin mit einer Russin verheiratet. Ich bin bei einer Veranstaltung in Russland von einer Frau angesprochen worden, die meinte, hier sei es doch viel sicherer für mich. Als blonder Mann müsse ich ja in Deutschland fürchten, totgeschlagen zu werden.“ Erzählt habe dies ein „AfD“-Mann bei einem Vortrag.

Anja Schulz: „Wenn wir als Bundestagsabgeordnete unsere Aufgaben nicht erfüllen, werden wir nach vier Jahren nicht mehr gewählt. Aber bitte, machen Sie dann Ihr Kreuz nicht bei den Extremisten.“

Foto: Michalzik