Vor dem Doku-Filmabend über die Shoa-Überlebende Eva Szepesi im Central Theater: Regisseur Dr. Mario Morales im Gespräch mit den Uelzener Nachrichten
- Subtitle: Uelzen
Von Michael Michalzik
Uelzen. Eva ist elf, als das Grauen über ihre Welt hereinbricht: Die Wehrmacht marschiert in Ungarn ein, umgehend wird systematisch Jagd auf Juden gemacht. Die perfekt organisierte Vernichtungsmaschinerie erreicht rasch Budapest, der Heimat von Evas Familie. Eine Flucht endet ohne Hoffnung – der Weg führt am Ende in das Vernichtungslager Auschwitz. Eva ist zwölf, als der Zug mit Viehwaggons voller Menschen an der Rampe hält. Sie soll sagen, dass sie 16 ist, raunt ihr eine Aufseherin zu. Das könne ihr Leben retten: Jüngere werden sofort bei der Ankunft als „nicht arbeitsfähig“ aussortiert und ermordet. Was Eva noch nicht weiß, als man ihr alles nimmt, was sie am Leibe trägt, ihr die langen Zöpfe abschneidet: Ihr kleiner Bruder und ihre geliebte Mutter sind bereits in der Gaskammer ermordet worden. Als die Rote Armee Auschwitz im Januar 1945 befreit, ist Eva allein. Ihre Familie ist der Shoah zum Opfer gefallen.
Jahrzehntelang kann Eva Szepesi nicht über das sprechen, was sie als Kind erleben musste. Die schrecklichen Bilder, das hunderttausendfache Gesicht des Todes im KZ – und letztlich auch eine quälende Frage: Wieso habe allein ich überlebt? Mit ihrem Ehemann, der eine Stelle in der ungarischen Handelsvertretung in Deutschland antreten kann, zieht sie in den 1950er-Jahren nach Frankfurt am Main. „Wir haben uns dort vor einigen Jahren in einer Synagoge kennengelernt“, berichtet der Journalist und Regisseur Dr. Mario Morales im Gespräch mit den Uelzener Nachrichten. Viele Jahre hat der Filmemacher bereits über jüdische Geschichte und das Judentum berichtet. Schnell steht für ihn fest: Er will eine Dokumentation drehen. Nicht nur über Eva Szepesi, sondern auch über ihre Familie – er will die engagierte Shoah-Überlebende, aber auch ihre Familie, ihre Kinder und Enkel, auf eine besondere Reise begleiten: „Wir sind Teil der Geschichte. Wir dürfen sie nicht vergessen“, sagt der Regisseur mit argentinischen Wurzeln, dessen Filmproduktionsfirma ihren Sitz in Frankfurt hat. Die Frage sei: Wie geht man mit dieser Geschichte um?
Dr. Morales hat seinen ganz eigenen Weg gefunden. Ein Jahr nach dem Kennenlernen – er hat inzwischen das Drehbuch entwickelt, ein Filmteam um sich versammelt und die Finanzierung auch dank der Filmförderung Hessen gesichert – beginnt die dokumentarische Reise: Die Familie von Eva Szepesi reist nach Budapest. Ob es das Haus der Familie noch gibt? Soll der Weg wirklich nach Auschwitz führen, wo das einstige Vernichtungslager inzwischen das Ziel vieler Touristen ist? Dr. Morales filmische Spurensuche „In der Luft, da bleibt deine Wurzel - Über die Enkel der Überlebenden“ kommt ohne Erzählerstimme oder dramaturgische Kniffe aus. Die Familie reist, spricht, erinnert sich gemeinsam. Die Zuschauer gehen mit auf diese besondere Reise, erkunden für sich selbst: Wie gehen jüdische Familien mit dieser Vergangenheit um? Was wird sein, wenn die Zeitzeugen eines Tages nicht mehr da sind?
Eva Szepesi engagiert sich seit Jahren als Zeitzeugin, spricht in Schulen über ihr Schicksal und hat zwei Bücher geschrieben. Für ihren Einsatz erhielt sie die Ehrenplakette der Stadt Frankfurt am Main sowie das Bundesverdienstkreuz am Bande. Der Dokumentarfilm „In der Luft, da bleibt deine Wurzel - Über die Enkel der Überlebenden“ wird auf Einladung von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Kreisverband Uelzen, anlässlich der Europawahl in Zusammenarbeit mit dem Central Theater Uelzen dort am 05. Juni um 19:30 Uhr zu sehen sein.
Der Eintritt ist frei. Regisseur Dr. Mario Morales ist zu Gast und wird nach dem Film die Fragen der Zuschauerinnen und Zuschauer beantworten.
Platzreservierung nur telefonisch, täglich ab 16 Uhr, direkt beim Central Theater Uelzen. Telefon: (05 81) 25 09
Foto: 3eckmedia