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Uelzen zeigt das orange Zeichen: Keine Gewalt gegen Frauen

  • Subtitle: Uelzen

Uelzen. Die Welt ist nach wie vor auch ein gefährlicher Ort für Frauen. Darauf machen die Orange Days – eine Kampagne zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen – in diesem Jahr erneut aufmerksam. Vom heutigen 25. November bis zum 10. Dezember werden in vielen Gastronomiebetrieben in Stadt und Landkreis Uelzen etwa 10.000 orange Bierdeckel im Umlauf sein, so auch in der Ratsweinhandlung Uelzen. Inhaber Ingo Schulte macht sich für die Aktion stark, weil, so sagt er: „jede Frau das Recht hat, ohne Gewalt und Angst zu leben. Selbstverständlich und gerne nutze ich meine Sichtbarkeit, um Frauen zu unterstützen und auf ihre Stärke, Würde und Selbstbestimmung aufmerksam zu machen.“

Apostolis Peponis vom Zorbas Restaurant in Uelzen ist die Orange–Days–Aktion des SI (Soroptimist International) Clubs Uelzen ebenso ein besonderes Anliegen. Er und sein Team beteiligen sich erneut, „da ihnen klar sei, dass Frauen in vielen Teilen der Welt keine oder wenige Rechte hätten. Es gebe Orte, Menschen, Strukturen, welche eine Weiterentwicklung von Frauen nicht zuließen, sie unterdrücke – oft aus Unsicherheit, Angst, Minderwertigkeitsgefühl und aufgrund von tradierten Werten und Normen“, ist er sich sicher. „Wir müssen weiter dafür einstehen, dass Frau und Mann gleichberechtigt und gleich wichtig sind, ohne jede Form von Gewalt. Offene Kommunikation nehme hierbei eine Schlüsselfunktion ein“, sagt er. „Um ins Gespräch zu kommen, sind vor allem auch die nun erneut eingesetzten Bierdeckel des SI Clubs Uelzen eine großartige Möglichkeit“, so Peponis.

Auf den Bierdeckeln steht: SI Club Uelzen und Uelzener Gastronom*innen sagen „NEIN“ zur Gewalt gegen Frauen. Mit der Auslage der vom Soroptimist International (SI) Club Uelzen zur Verfügung gestellten Bierdeckel setzen ab dem 25.11.2025 knapp 30 Gastronomiebetriebe ein klares Zeichen für Gewaltprävention zum Schutz von Frauen.  Mit der Aufschrift auf der Rückseite des Bierdeckels informieren diese ihre Gäste darüber, dass jeden Tag ein Mann in Deutschland versucht, seine Partnerin zu töten, an weniger als jedem 3. Tag gelingt dies auch. Es gibt eine bedrückend hohe Zahl von ca. 140.000 Fällen partnerschaftlicher Gewalt, die das Bundeskriminalamt jährlich verzeichnet. Wer Betroffene kennt, kann den Bierdeckel mit der bundesweiten Nummer des Hilfetelefons (Tel.: 08000 116 016, Beratung in 18 Sprachen) mitnehmen und ohne viel Aufhebens weitergeben, denn partnerschaftliche Gewalt ist ein Tabuthema und die Dunkelziffer hoch. Das Thema anzusprechen ist schwierig und wird deshalb gerne beiseitegeschoben.

Sie hat es nicht beiseitegeschoben. Khatere* hat sich getraut. Sie ist eine junge Frau aus Afghanistan, die sich nach ihrer Ankunft in Deutschland schnell ein neues Leben aufgebaut hat. Sie legt ihr Kopftuch ab, trägt moderne Kleidung, macht ihren Führerschein, findet eine Arbeit. Jeden Morgen bringt sie ihre dreijährige Tochter in den Kindergarten und tauscht sich mit anderen Müttern aus. Sie lernt rasch Deutsch, wirkt offen und freundlich. Sie ist angekommen.

Ihr Mann Yusef hingegen findet in Deutschland kaum Halt. In Afghanistan wurde er politisch verfolgt, unrechtmäßig inhaftiert und gefoltert. Die Erlebnisse der Vergangenheit lassen ihn nicht los. Er rutscht in eine schwere Depression, beginnt zu trinken – und die Dynamik in der Familie verändert sich stark.

Was zunächst wie Frust und Eifersucht aussieht, wird bald zu Gewalt. Während Khatere in ihrem neuen Leben Schritt für Schritt vorankommt, bleibt Yusef ohne Erfolgserlebnisse zurück. Er versucht seine Frau kleinzuhalten – erst mit Worten, etwas später mit Schlägen. Jedes Mal entschuldigt er sich, jedes Mal hofft Khatere, dass es sich bessert. Doch die Abstände zwischen den Übergriffen werden immer kürzer und die Gewalt immer brutaler.

Eines Nachts würgt Yusef sie so heftig, dass sie kurz das Bewusstsein verliert, Dies passiert vor den Augen der Tochter. In ihrer Verzweiflung sucht Khatere Hilfe beim Jugendmigrationsdienst des CJD. Von dort wird sie in ein Frauenhaus vermittelt. Doch während ihres Aufenthalts ruft Yusef ununterbrochen an, er entschuldigt sich, immer wieder und immer wieder und beteuert Reue. Die kleine Tochter weint oft und vermisst ihren Vater. Nach Tagen des Zweifelns kehrt Khatere zurück – in der Hoffnung, der Frieden könne halten, alles könne gut werden.

Die ersten Tage wirken tatsächlich besser. Doch bald eskaliert die häusliche Gewalt stärker als je zuvor. Er zerstört ihr Handy, verbietet ihr das Haus zu verlassen, untersagt Besuche von Freunden. Als Khatere erneut ins Frauenhaus flüchten will, hindert er sie daran. Sie ist isoliert, kontrolliert, gefangen.

Eines Nachts schläft Yusef betrunken auf dem Sofa ein. Es ist Khateres einzige Chance. Sie ergreift diese. Sie nimmt ihre Tochter an die Hand, schleicht sich mit ihr aus dem Haus und rennt. Sie läuft und dieses Mal sucht sie Schutz in einem Frauenhaus in einem anderen Bundesland. Dieses Mal schafft sie es. Sie geht nicht zurück.

Die Flucht liegt heute mehrere Jahre zurück. Khatere lebt inzwischen in einer neuen Stadt, hat sich ein stabiles Leben aufgebaut und eine Therapie gemacht. Was sie anderen Frauen sagen möchte, ist klar und eindringlich: „Keine Frau muss Gewalt ertragen. Und kein Kind sollte mit Gewalt aufwachsen.“

Zum Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen und Kindern erinnert Khateres Geschichte daran, dass häusliche Gewalt oft im Verborgenen beginnt – und dass es Wege herausgibt. Jede Frau, die Hilfe sucht, hat das Recht auf Schutz, Unterstützung und ein Leben ohne Angst.

„Dieser Bericht der jungen Frau macht uns tief betroffen“, so Sibylle Kollmeier, Präsidentin vom SI Club Uelzen. „Geschlechterspezifische Gewalt hat unzählige Gesichter. Sie zieht sich durch alle sozialen Schichten und Milieus, unabhängig von religiöser Zugehörigkeit“. Millionen Frauen und Mädchen sind von ihr betroffen. Sie beinhaltet körperliche und sexualisierte Gewalt, gesundheitsschädliche Handlungen wie Vergewaltigung, Genitalbeschneidung und Menschenhandel. Auch seelische Gewalt, Vernachlässigung, Gewalt im Internet und Ausgrenzung gehören dazu. Sie wirkt sich auf alle Lebensbereiche von Frauen und Mädchen aus, belastet zutiefst und hemmt ebenso den sozialen und ökonomischen Fortschritt in der Gesellschaft enorm.

Dies ist unter anderem ein wichtiger Grund, warum wir uns für die Bierdeckelaktion in Stadt und Landkreis Uelzen entschieden haben“, so Kollmeier. Durch die Aktion können möglichst viele Menschen erreicht werden. Die Bereitschaft der Gastronomiebetriebe mitzumachen, war sofort groß.“ Fast überall wurde die Aktion begrüßt und spontan zugesagt.

Plakate und Infoflyer begleiteten die Aktion in den vielen Restaurants, Bars und Cafés. Sie sind ein „Hingucker“ und können so von unzähligen Menschen in Uelzen auch gut wahrgenommen werden. Uelzens Bürgermeister Jürgen Markwardt begrüßt die SI-Aktion der Orange Days ebenso, „die Hansestadt Uelzen stehe in jeder Hinsicht hinter dieser großangelegten Kampagne“.

Die Aktionsdauer von 16 Tagen ist kein Zufall: Die Orange Days enden am 10. Dezember, dem Internationalen Tag der Menschenrechte. Soroptimist International Deutschland (SID) beteiligt sich auch in diesem Jahr mit vielfältigen Aktionen sowohl direkt, als auch durch die regionalen Clubs.

Mehr zur Aktion und zum SI Club Uelzen ist hier zu entnehmen: https://clubuelzen.soroptimist.de/

Fotos: SI Club Uelzen