
UEN-Kolumne mit Professor Markus Launer: Neueste Managementforschung, globale Trends und die Bedeutung für Uelzen
- Subtitle: Suderburg
Suderburg. Das Thema Management ist in der Forschung seit Jahrzehnten ein Dauerbrenner. Es ist noch kein abgeschlossenes Feld, sondern ein sich stetig wandelndes Forschungs- und Praxisgebiet. Neue gesellschaftliche, technologische und ökologische Herausforderungen sorgen kontinuierlich für neue Fragestellungen. Was sind die neuesten Trends in der Forschung und Herausforderungen in der Praxis? Was sind die politischen Hintergründe und Auswirkungen? Und was bedeutet das für Unternehmen und Unternehmer in Uelzen? Was lernt man dazu in Suderburg im neuen Studiengang Business und Management? Kann die Ostfalia in Suderburg zu diesen Themen mitforschen?
Interessant ist, dass die weltweit größte Managementkonferenz aus den USA, die Academy of Management (AOM), im Juli 2025 in Kopenhagen stattfand - die erste AOM Konferenz in Europa. Es waren mehr als 13.000 Teilnehmer aus aller Welt mit fast 4.000 Sessions, mehr als jemals zuvor in den USA. Warum kamen in Europa mehr Forschende als in den Vorjahren in den USA? Ist es das geringere Budget europäischer Forscher / innen, die sie nicht in die USA reisen lässt? Oder sind es andere Gründe? Dazu gibt es keine Forschung, aber viele Vermutungen.
Wichtigstes Thema der AOM war Künstliche Intelligenz, Robotik & Datenmanagement. Ältere Dauerthemen waren Work-Life Balance, Burnout, und hybride Arbeitsmodelle, aber auch Nachhaltigkeit und gesellschaftlicher Impact. Auffällig ist, die Beiträge aus den USA und China drehen sich tendenziell mehr um neue Märkte, neue Technologien, Skalierung von Businessmodellen und globale Trends. Beiträge aus Europa sind tendenziell eher sozialer Natur. Trotz Stagnation und Rezession in Europa ist das Thema Resilienz und Reorganisation in der europäischen Wirtschaft noch nicht wirklich angekommen. Kritiker schreiben u.a., „auf der Titanic würden in Europa die Stühle neu sortiert werden“ (Richard David Precht (Philisoph).
Besonders interessant für Hoch- und Berufsschulen waren die innovativen Pädagogiken, d.h. neue Lehr- und Lernformen: von künstlerisch basierten Methoden, dem Umbruch durch Onlinelehre bis zu KI-unterstütztes Lernen. Dazu gab es auch Diskussionen darüber, wie Business Schools sich verändern müssen, damit sie Verantwortungsbewusstsein, Nachhaltigkeit und gesellschaftlichen Einfluss in ihren Kernangeboten verankern. Das Thema Elitenausbildung und Spitzenforschung war dahingegen kein Thema. Eine große Frage war, wie wird KI die Universitätslandschaft umbrechen? Wie und was sollen Studierende lernen? Können Haus- und Bachelorarbeiten mit ChatGPT geschrieben werden? Oder wie nutze ich KI gezielt in Lehre und Forschung um die Menschen in den neuen Technologien auszubilden. Die klassische Vorlesung in Präsenz ist hier wohl in Gefahr, die hybride und Online-Lehre im Trend. Schon jetzt arbeiten Studierende mit Aufzeichnungen und Lehrvideos, die sie sogar in doppelter Geschwindigkeit abhören, um Zeit zu sparen. ChatGPT, Perplexity oder andere KI-Programme schreiben aus Websuchen und Videos präzise Zusammenfassungen als Klausurvorbereitung. Adaptive Online-Lernplattformen coachen die Studierenden individuell und passen Lerninhalte an individuelle Bedürfnisse der Studierenden an, z. B. durch das Erkennen, wo man Schwächen hat, und gezieltes Übungsmaterial. Virtuelle Lehrassistenten und smarte Tutoren, meist auf Basis von Natural Language Processing, helfen beim Erklären, bei Übungsfragen oder beim Erstellen von Lernpfaden. Mit KI-gestütztem Microlearning werden Inhalte in kleine, verdauliche Einheiten aufgesplittet mit interaktiven Formaten wie Videos, Quizfragen oder Szenarien.
In Europa ist die Jahreskonferenz der führenden European Academy of Management (EURAM) besonders wichtig, die dieses Jahr an der University of Agder in Norwegen stattfand. Dort diskutierten Forscher/innen nicht nur die klassischen Themen Strategie, Personal und Organisation, Entrepreneurship und Innovation, sondern auch moderne Themen wie soziale Inklusion, Neue Arbeit oder die Demokratisierung der Märkte. Übergeordnet lässt sich zusammenfassen, neben den zahlreichen sozialen Themen es ging auch um den Umbruch (Disruption) im Management (Strategie, Marketing und Versorgungsketten), Umbrüche in unserer Zeitgeschichte und in den neuen Technologien.
In Deutschland spüren wir diese Umbrüche durch eine andauernde Rezession und der Gefahr, dass wir den Anschluss an die USA und China verlieren. Die Forschung zu den rasant schnell wachsenden neuen Märkten kommt vor allem aus den USA und China. Wird Datenmanagement, Künstliche Intelligenz (KI) und Robotik den Weltmarkt ohne europäische Beteiligung dominieren? Wird die Weltproduktion weiter zunehmend nach Asien verlagert? Während unsere europäischen Industrien weiterhin nach Asien abwandern versucht die USA sich gegen diesen Trend mit neuen Zolltarifen und Schaffung eines guten Investitionsklimas zu rüsten. Das wurde kritisch diskutiert, doch weniger das ob denn das wie. Maßnahmen zum Schutze der europäischen Wirtschaft, zur Resilienz unsere Industrie, oder wie der Rückstand in neuen Technologien aufgeholt werden könne, fehlten leider.
Bei der Turkish Academy of Management im August 2025 in Budapest ging es dahingegen speziell um Resilienz und Anpassungsfähigkeit im Management. Die Türkei hat dabei als Gastgeber geografisch eine besondere Rolle zwischen Europa, Asien und Afrika. Die Beiträge kamen hauptsächlich zu Themen aus der Türkei. Doch die Resilienz von Europa und die Kritik an der EU war auch ein Thema. Sehr viel offener als in Europa wurde das Thema diskutiert, dass Europa hat fast keine Rohstoffe hat, schon gar keine kritischen Rohstoffe wie Seltene Erden – zumindest werden sie nicht gefördert. Die Rohstoffe liegen in den USA, Russland, China und den weiteren BRICS-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika) sowie den Öl-produzierenden Ländern im Mittleren Osten. Momentan hat Europa zu diesen Ländern nicht die besten, teilweise sogar kritische oder kriegerische Beziehungen. Das wurde von den türkischen Forschern kritisch wahrgenommen. Öfter war Zitat zu hören „Europa wird zum Industriemuseum“ (u.a. Charles Michel, Präsident des Europäischen Rates, „We have to do everything not to become the museum of the world.“).
Doch was betrifft Uelzen aus der großen Welt der Managementforschung und den globalen Megatrends? Der Mangel an kritischen Rohstoffen und das mögliche Schrumpfen unserer Industrien in Europa bringt Chancen für Kleinstädte. Die Rohstoffknappheit in Europa zwingt dazu, nachhaltig zu wirtschaften. Die Themen sind Recycling, lokal verfügbare Materialien und Kreislaufwirtschaft. Die EU hat das erkannt und den Critical Raw Material Act geschaffen, d.h. Rohstoffe sollen aus dem Abfall wieder gewonnen werden und dürfen nicht mehr ins Ausland verschifft werden. Liegt der Grund dafür in mangelnden Rohstoffen weltweit? Oder sind Rohstoffe mehr denn je vorhanden, nur Europa hat immer weniger Zugang dazu?
Die Stadtwerke MyCity Uelzen unter Geschäftsführer Markus Schümann treiben derzeit eine Reihe innovativer Projekte voran in den Bereichen Ökostrom, E-Mobilität, Photovoltaik und Ladeinfrastruktur, um die Energiewende in der Region aktiv zu gestalten. Ergänzt wird das Engagement durch Konzepte zur Nutzung von Geothermie, Klimaschutzprojekte wie „Smart Watts“, den Ausbau der Ladeinfrastruktur für E-Mobilität sowie Kooperationen mit Partnern für den Aufbau von PV-Dachanlagen samt Speichern. Uelzen hat große Chancen Vorreiter in Sachen grüne Region zu werden.
Die Chance für Uelzen liegt auch in Recyclingtechnologien. Dazu wurde kürzlich der Ostfalia Hochschule ein neue Forschungsprojekt der EU genehmigt. Das Thema ist Recycling von Elektroschrott, Künstliche Intelligenz und Inklusion – ein Thema, dass Launer schon lange beschäftigt. Das Projekt ist in Kooperation mit Leben leben Arbeit und Produktion und dem Recyclingunternehmen Kewitz, unterstützt von unserem Bürgermeister Jürgen Markwardt. Doch dazu mehr im nächsten Beitrag
Der globale Megatrend und das Wettrennen um Daten und Technologien macht auch in Uelzen nicht Halt. Innovationen und Arbeitsplätze sind auch in Uelzen durch Robotik, Künstliche Intelligenz und Datenmanagement möglich. Dazu hat die Region Uelzen den Glasfaserausbau, den Ausbau von Mobilfunkversorgung und digitalen Verwaltungsangeboten forciert.
Unternehmen wie Visoma, Mike Bergmann und Florian Talg, nutzen dies und schulen zu Themen rund um Digitalisierung. Strategie Nord, eine Werbe- und Marketingagentur, nutzt KI-Tools z. B. zur Erstellung von Content-Rohmaterial, Rechercheunterstützung und Chatbots sowie virtuellen Assistenten im direkten Kundenkontakt. Die Psychiatrische Klinik Uelzen verwendet KI in der Kodierung, u.a. zur Unterstützung der Fall-Dokumentation und Abrechnung. Die Personalausschreibungen in der AZ zeigen, es werden in Uelzen IT- und KI-Experten gesucht. So z. B. bei der Uelzener Versicherungsgesellschaft, die KI-Spezialisten/innen und Prompt-Ingenieure ausschreibt. An der Ostfalia will Launer seine Forschung zu rationaler und intuitiver Entscheidungstheorie (RIDMS) weiter entwickeln zu KI-unterstützte Entscheidungen (human machine interaction). Wie werden Entscheidungen zukünftig mit KI gefällt? Schon jetzt wird ChatGPT als Entscheidungsunterstützung schon kräftig genutzt.
Seltsam ist, dass Elektromobilität und Carsharing vor allem in den Großstädten erprobt wird – dort, wo es intensive Nahverkehrsangebote im engen Wettbewerb gibt. Dabei werden die mobilen Dienste insbesondere in den ländlichen Regionen benötigt. Uelzen hätte hier eine große Chance. Stattdessen werden mit großem Erfolg Kleinbusse für den flexiblen Nahverkehr betrieben. Doch wären autonome Taxi nicht gerade für die Region Uelzen wichtig? Die neuen Technologien lassen sich in ländlichen Regionen viel leichter umsetzen als in Großstädten.
Die Ostfalia forscht ja schon an autonomer Mobilität, z. B. zu Car Sharing. Mentoren werden als Erfolgsfaktor im (e)Carsharing untersucht. Die Fragestellung ist, welche Kommunikations- und Mentoren-Angebote steigern die Nutzung von (E-)Carsharing? Oder das Projekt Intelligente Systeme für Energie and Mobilität mit Themen wie Smart-Mobility, Car-to-X-Kommunikation, integrierte Systeme für Energie und Mobilitätsmanagement. Interessant ist dazu auch der Studiengang Nachhaltige Mobilität mit Themen wie Carsharing, Ridepooling, E-Scooter Sharing etc. Die Ostfalia ist modern – in Lehre und Forschung. Die Unternehmen in Uelzen auch. Uelzen ist am Zahn der Zeit.
Im Foto von der Turkish Academy of Management sehen Sie von links nach rechts: Prof. Fatih Cetin von der Baskent University, Prof. Burcu Tosun von der Atilim University, und ganz rechts Prof. Özlem Atay von der Ankara University. Alle waren in 2024 und 2025 zu Forschungsbesuchen in Suderburg beim Institut für gemeinnützige Dienstleistungen gGmbH, das Institut für zeitgenössische Managementforschung (CoSiM) und sind mittlerweile Fans von Uelzen.
Foto: privat