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Landkreis Uelzen

Bericht des Bundes-Innenministeriums stuft Landkreis Uelzen als „strukturschwach“ ein

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Uelzen/Landkreis. Der jetzt vorgestellte Heimatbericht 2021 des Bundesministeriums des Innern will auf 68 Seiten einen Überblick über die soziale und wirtschaftliche Lage der Nation geben. Deutschland wird in farbige Bereiche aufgeteilt – Landkreise und kreisfreie Städte. Jede Farbe steht für die Leistungsfähigkeit in einem jeweiligen Bereich.

Der Landkreis Uelzen wird in den begleitenden Texten der Broschüre ein einziges Mal erwähnt: „Tritt durch ungünstige demografische Entwicklung hervor.“ Auf den Karten lässt sich aber mehr herauslesen: Auf der Farbskala von 1-5 belegt unser Landkreis mehrfach den vorletzten Platz. Siedlungs- und Infrastruktur, Kommunale Leistungsfähigkeit, Wirtschaftliche Leistungsfähigkeit – in all diesen Bereichen bescheinigt das Ministerium von Horst Seehofer dem Landkreis Uelzen nur den zweitletzten Platz.

Politik und Verwaltung beziehen auf Anfrage der Uelzener Nachrichten Stellung.

Joachim Delekat, Sprecher der Uelzener UWG: „Was mich besonders ärgert ist, dass auch diese Statistik nur das wiederholt, was bereits vor Jahren in einer regionalen Statistik von der IHK Lüneburg-Wolfsburg zum Thema „Wirtschaftliche Entwicklungschancen“ aufbereitet wurde. Auch damals, welch Überraschung, kam der Landkreis Uelzen im Vergleich zu anderen Landkreisen im IHK-Bezirk Lüneburg-Wolfsburg grottenschlecht weg. Konkret nennt Delekat zunächst eine bessere verkehrliche Anbindung, insbesondere die geplante A39 für Gewerbe- und Industrieunternehmen sowie Pendler: „Eine Nord-Süd-Autobahn in unserer Region wird seit 81 Jahren geplant. Passiert ist lange Zeit wenig, der Widerstand wächst.“ Delekat, der auch Dozent für online-Vorlesungen ist: „Ich kann berichten, dass wir täglich Probleme mit der Netzversorgung unserer Studierenden auf dem ‚platten Land‘ haben. Warum ist das so? Bis 1994 war Telekommunikation – damals hieß das noch Fernmeldewesen – als Daseinsvorsorge wie Wasser, Energie, Müllabfuhr und so weiter im Grundgesetz verankert. Waren nach der bundespolitischen Entscheidung der Privatisierung durch CDU, SPD, FDP strukturschwache Gebiete uninteressant? Es ist doch einfach nur lächerlich, dass jeder Landrat mit komplizierten Förderanträgen beim Bund und der EU seinen Landkreis jetzt mit Breitbandversorgung fit machen will, es entsteht ein digitaler bundesweiter Flickenteppich. Hier hat der Bund seit Jahren versagt, das Thema Digitalisierung von Schulen mag ich gar nicht erst ansprechen. Aber zumindest tut sich was, wenn auch viel zu spät.“

Die Kreisverwaltung sieht den „Heimatbericht 2021“ gelassen, sieht sogar Vorteile in der Bewertung: „Dass der Landkreis Uelzen zu den eher strukturschwächeren Landkreisen gehört, ist grundsätzlich zutreffend. Die Einordnung als strukturschwache Region hatte und hat zur Folge, dass der Landkreis von Strukturfördermitteln, etwa nach dem Gesetz über die Gemeinschaftsaufgabe ‚Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur‘ oder aus Programmen der Europäischen Union, finanziell profitieren konnte und kann. Schon aufgrund der geringen Bevölkerungsdichte können einige Infrastrukturindikatoren nicht besser sein, etwa die Erreichbarkeit innerhalb einer bestimmten Zeit. Zudem war der Breitbandausbau im Betrachtungsjahr Jahr 2018 noch nicht so weit fortgeschritten wie jetzt. Letztendlich ist es entscheidend, wie der Landkreis für die Zukunft aufgestellt ist und wie sich die demographische Entwicklung auch unter Berücksichtigung von Veränderungen im Zusammenhang mit der SARS-CoV-2-Pandemie fortsetzt. Hier hat der Landkreis Uelzen mit seinen guten Schienenverkehrsverbindungen zu den umliegenden Großstädten, dem bald flächendeckend vorhandenen Glasfasernetz und den günstigen Immobilienpreisen durchaus das Potenzial, sich entgegen der Prognose im Heimatbericht 2021 besser zu entwickeln. Die Ausweisung zahlreicher neuer Baugebiete im Landkreis zeigt dies ebenso wie der Trend, dass qualifizierte Fachkräfte zur Zeit verstärkt Interesse bekunden, in den Landkreis Uelzen zurückzukehren“, erklärt Landkreis-Sprecher Marcus Christ.

CDU-Landtagsabgeordneter Jörg Hillmer hält fest: „Dass Uelzen ein strukturschwacher Landkreis ist, ist keine Neuigkeit. Entscheidend ist, dass die Bundesregierung aus dieser Erkenntnis die richtigen Schlüsse zieht; denn die wichtigsten Strukturprojekte stehen in unmittelbarer Verantwortung des Bundes. Wir erwarten vom Bund die zügige Fertigstellung des Lückenschlusses der A39 und den Erhalt und die Verbesserung der Anbindung an den überregionalen Bahnverkehr. Auch die Ertüchtigung des Elbe-Seitenkanals mit der Hebestufe Scharnebeck ist vom Bund umzusetzen. Es gibt also viel zu tun für die nächste Bundesregierung. Jede Verzögerung beim Infrastrukturausbau geht voll zu Lasten unseres strukturschwachen Raumes und zementiert die Benachteiligung aller Bürgerinnen und Bürger dieses Landkreises.“

Hillmer betont, dass der Landkreis selbst sehr aktiv sei: „Alles, was wir aus eigener Kraft umsetzen können, wird getan. Den Glasfaserausbau stemmen wir selbst als Landkreis mit guter Unterstützung durch Bund und Land. Da sind wir deutschlandweit beispielgebend. Wir fordern vom Bund und vom Land gleichwertige Lebensbedingungen ein. Allein als Standort für alles, was man in der Stadt nicht haben will, etwa Windmühlen, Wölfe und Ausgleichsflächen, sind wir uns zu schade. Mein Ziel ist es, dass unsere Gemeinden im Landkreis Uelzen als Wohn- und Arbeitsorte attraktiv sind, und dass  Familien hier gerne leben.“

Joachim Delekat: "In der Kernstadt der Hansestadt Uelzen fehlt uns eine professionell geplante Einfamilienhaus-Neubau-Strategie. Das letzte Neubaugebiet war vor 24 Jahren, also 1997, damaliges Baugebiet Eschenkamp im Osten Uelzens. Gerade für eine zu verjüngende Altersstruktur wäre es dringend geboten, den Hausbau auf noch günstigem Bauland und damit die strategische Altersvorsorge für junge Familien zu ermöglichen. Die UWG-Ratsfraktion hat das beantragt, der Diskussionsprozess in den Fraktionen läuft. Die gute Nachricht: Was uns zukünftig positiv stimmen könnte, ist die Corona-bedingte Landflucht der Großstädter und der Trend zum Homeoffice. So könnte der Landkreis von dieser Entwicklung profitieren. Dazu sind aber Aspekte  wie die genannte verkehrliche Anbindung, komplette Breitbandvorsorge und günstige Neubauten erforderlich. Notwendig ist auch, die sehr gute bahntechnische Anbindung Uelzens zwischen Hannover, Hamburg und Berlin zu erhalten."

Auch Kreis-Sprecher Marcus Christ erkennt in der Uelzener Situation weitere Besonderheiten: „Kennzeichnend für den Landkreis Uelzen ist schon immer gewesen, dass er in wirtschaftlich schwierigen Phasen besser und in günstigeren wirtschaftlichen Phasen etwas schlechter als viele andere dastand.“ Dies zeigen mehrere Karten des Heimatberichtes 2021: „Der Landkreis Uelzen ist jeweils in den beiden besten von insgesamt sechs Kategorien bei der Entwicklung der Arbeitslosenquote, der Zahl der Arbeitslosen im Arbeitslosengeldbezug und bei der Kurzarbeiterquote. Trotz allem ist und bleibt es selbstverständlich Aufgabe des Landkreises, die Rahmenbedingungen fortlaufend zu verbessern, etwa durch den Einsatz für eine bessere Verkehrsanbindung mit der A39 und eine Forcierung der Digitalisierung. Projekte wie das Fachkräftemarketing oder die ‚Smarte Landregion‘ werden den Landkreis weiter voranbringen.“

Grafik: Der Heimatbericht 2021 des Bundesministeriums für Inneres ordnet den Landkreis Uelzen als „strukturschwach“ ein.

Der Link zum Heimatbericht: https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/downloads/DE/publikationen/themen/heimat-integration/Heimatbericht-2020.pdf?__blob=publicationFile&v=3