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Landkreis Uelzen

Berlin-Tagebuch unserer FDP-Bundestagsabgeordneten Anja Schulz (Teil 34): Auch Kompromisse haben Grenzen

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Liebe Leserinnen und Leser,
 
im Chinesischen gibt es die Redensart „Mögest du in interessanten Zeiten leben“. Über einen Mangel an interessanten Ereignissen können wir uns derzeit weder in Deutschland noch im Rest der Welt beklagen. Aktuell beschäftigt uns das Aus der Ampel-Koalition am meisten, und seien Sie sich sicher, auch für den durchschnittlichen Bundestagsabgeordneten sind die Ereignisse turbulent und dynamisch. Denn noch bevor wir in der Fraktionssitzung unterrichtet wurden, konnten wir die Schlagzeilen bereits auf dem Weg dorthin lesen. Was mit jedem Tag offensichtlicher wird: Alle Parteien und Partner haben sich bereits seit geraumer Zeit auf sämtliche Eventualitäten vorbereitet. Das ist grundsätzlich nicht ungewöhnlich. In der Politik muss man schnell und effizient auf alle möglichen Szenarien und unerwartete Entwicklungen reagieren. Verschiedene Szenarien werden durchgesprochen und Pläne ausgearbeitet – auch für gänzlich unterschiedliche Ausgänge.
 
Dass nun von allen Seiten mit dem Finger aufeinander gezeigt wird, liegt wahrscheinlich in der menschlichen Natur, und ich möchte hier niemandem böse Absichten unterstellen. Für uns stand jedoch fest, dass die Antwort auf die US-Wahl nicht in Verfassungsbruch und höherer Verschuldung liegen konnte, sondern in tiefgreifenden Veränderungen, zu denen der Kanzler offensichtlich nicht bereit ist. Das betrifft sowohl die Wirtschaft als auch unsere Verteidigungsfähigkeit.
 
Wenn der Kanzler, der sich seit Monaten weigert, der Ukraine Taurus-Marschflugkörper zu liefern, nun suggeriert, dass drei Milliarden Euro finanzielle Hilfe der große Befreiungsschlag wären, ist das umso verwunderlicher. Was die Ukraine jetzt braucht, sind Waffen und eine aufrichtige Unterstützung – etwas, zu dem der Kanzler bislang nur Lippenbekenntnisse und homöopathische Hilfe beizusteuern bereit war.
 
Unterschiedliche Akteure nehmen Ereignisse allerdings unterschiedlich wahr, und letztlich glaubt jeder von sich, im Recht zu sein. Über all dem schwebt jedoch die Erkenntnis, dass die Ampel-Koalition nach über drei Jahren sämtliche Reserven an Geduld und Kompromissfähigkeit aufgebraucht hatte. Kompromisse sind ein integraler Bestandteil der Demokratie und machen sie einzigartig gegenüber anderen Regierungsformen. Die Fähigkeit, einen Ausgleich zu schaffen und verschiedene Interessen und Gruppen zu versöhnen, ist eine Stärke unseres Systems. Doch auch Kompromisse haben Grenzen. Wenn auf die Frage, ob man links oder rechts abbiegt, der Kompromiss darin besteht, einfach stehen zu bleiben oder geradeaus gegen einen Baum zu fahren, ist kein Ausgleich mehr möglich. Die anstehenden Entscheidungen, vor denen wir als Land stehen, sind so fundamental und die Lösungsansätze so gegensätzlich, dass es ein klares „Entweder-oder“ braucht.
 
Aus diesem Grund bin ich erleichtert und froh, dass die Ampel nun Geschichte ist, unabhängig davon, wie es zu diesem Ende kam. Wo Kompromisse als demokratisches Werkzeug nicht mehr ausreichen, geben wir dem Land mit den vorgezogenen Neuwahlen eine Wahl. Die Bürgerinnen und Bürger können nun entscheiden, wohin unser Land steuern soll: ob es eine Schuldenbremse geben soll, ob die Politik mit den zur Verfügung stehenden Mitteln haushalten muss, ob wir Wirtschaftswachstum und Wohlstand anstreben, von dem alle profitieren, oder ob es Umverteilung geben soll, die zwangsläufig Grenzen hat. Denn wenn der Kuchen nicht größer wird, bekommt am Ende jeder ein kleineres Stück.
 
Ich halte diesen Schritt für einen Akt der Fairness gegenüber den Wählerinnen und Wählern. Die Landtags- und Europawahlergebnisse sowie Umfragen zeigen, dass die Ampel an Legitimität und Rückhalt verloren hat. Eine Fortsetzung der Koalition wäre politische Insolvenzverschleppung auf Kosten unseres Landes gewesen.
 
Was ich mir für die kommende Wahl wünsche, ist selbstverständlich ein starkes Abschneiden meiner Partei. Darüber hinaus hoffe ich auf klare Ergebnisse, sodass Koalitionen nicht über den politischen Äquator hinweg gespannt werden müssen. Seit dem Ende der Ära Kohl, mit Ausnahme des Kabinetts Merkel II, gab es keine wirklich einheitliche Regierung mehr. Große Koalitionen und die Ampel waren stets davon geprägt, fundamentale Unterschiede überbrücken zu müssen. 24 Jahre, in denen es nicht möglich war, weitgehend in eine Richtung zu regieren, haben dem Land nicht gut getan. Notwendige Reformen und Veränderungen wurden dadurch blockiert.
 
Die Legislaturperiode endet bald. Ob ich dem nächsten Bundestag angehöre, liegt auch in Ihrer Hand. Sie bestimmen, wie der neue Bundestag aussieht, wer Kanzler wird und wer die Koalition stellt. Entscheiden Sie mit, wohin die Reise für unser Land geht.
 
Machen Sie von Ihrem Recht Gebrauch.
 
 
Freundliche Grüße
 
Anja Schulz
Mitglied des Deutschen Bundestages