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Abschiebung russischer Familie - Landesaufnahmebehörde nimmt Stellung: Kirchengemeinde soll Vereinbarung missachtet haben - Härtefall liege nicht vor

  • Subtitle: Bienenbüttel
Bienenbüttel. Auf Anfrage der Uelzener Nachrichten nimmt nun die Landesaufnahmebehörde Niedersachsen mit Sitz in Braunschweig Stellung zur Abschiebung einer russischen Familie:
 
"Vorbemerkung: Die von der St.-Michaelis-Kirchengemeinde Bienenbüttel erfolgten Pressedarstellungen geben den Sachverhalt zur Überstellung einer Familie nach Spanien nicht vollständig und korrekt wieder. Zunächst ist festzustellen, dass Kirchengemeinden, die vollziehbar ausreisepflichtige Personen durch eine vorübergehende Aufnahme in ihren Räumen dem staatlichen Zugriff entziehen, sich theologisch und juristisch nicht auf ein sogenanntes, anerkanntes „Recht auf Kirchenasyl“ berufen können. Die staatliche Rechtsordnung kennt keine zum Staatsgebiet gehörenden Räume, in denen rechtlich gebotene Maßnahmen nicht durchgesetzt werden können. Der staatliche Zugriff in kirchlichen Räumen ist daher grundsätzlich durchsetzbar wie an jedem anderen Ort. In Niedersachsen wird von der Durchsetzung der Ausreisepflicht in sakralen Räumen bzw. Räumlichkeiten der Religionsgesellschaften aus christlich-humanitärer Tradition abgesehen.
 
Angesichts steigender Fälle sog. „Kirchenasyls“ haben der damalige Präsident des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und hochrangige Vertreter der katholischen und evangelischen Kirchen am 24.02.2015 eine Vereinbarung getroffen, die vorsieht, dass besondere Härtefälle im Dublinverfahren mittels eines entsprechend begründeten Dossiers, von benannten Kirchenvertretern gesteuert, einer zentralen Stelle im Bundesamt zur nochmaligen Überprüfung vorgelegt werden. Die Dossiers sollen von den benannten Kirchenvertretern nur in wirklichen Ausnahmefällen mit besonderen, individuellen Härten und möglichst vor Eintritt in ein Kirchenasyl sowie vor Ablauf der sechsmonatigen Überstellungsfrist nach der Dublin-III-Verordnung eingereicht werden.  
 
Die niedersächsische Landesregierung steht zu dieser 2015 getroffenen Vereinbarung und respektiert das sogenannte Kirchenasyl auch weiterhin bis zum Abschluss der jeweiligen Härtefallprüfungen durch das BAMF.
 
Die Kirchengemeinden sind beim Vorliegen eines durch das BAMF negativ beschiedenen Dossier-Verfahrens laut der gemeinsamen Vereinbarung allerdings ihrerseits verpflichtet, die in Obhut genommenen ausreisepflichtigen Personen innerhalb von drei Tagen aus ihren Räumlichkeiten zu entlassen. Diese Vereinbarung hat die St.-Michaelis-Kirchengemeinde Bienenbüttel im vorliegenden Fall willentlich missachtet.
 
In der Regel handelt es sich bei den „Kirchenasylfällen“ um sog. Dublin-Fälle. Im vergangen Jahr konnte festgestellt werden, dass die Zahl der sogenannten Dublin-Fälle im „Kirchenasyl“ sprunghaft angestiegen ist. Die betroffenen Personen sind also über einen anderen EU-Mitgliedsstaat nach Deutschland eingereist und haben dort bereits einen Asylantrag gestellt. Daher wird der Asylantrag in Deutschland zuständigkeitshalber abgelehnt und die Personen wieder in den EU-Mitgliedsstaat überstellt, der für die inhaltliche Prüfung des Asylantrags zuständig ist (hier Spanien). Dementsprechend hat nicht das BAMF, sondern der für das Asylverfahren nach der Dublin-III-Verordnung zuständige EU-Mitgliedsstaat eine Prüfung zielstaatenbezogener Hindernisse der Betroffenen im Hinblick auf deren Herkunftsland durchzuführen. Das BAMF berücksichtigt bei seiner Entscheidung jedoch, ob im entsprechenden EU-Mitgliedsstaat ein Asylverfahren im Rahmen der Anforderungen der Europäischen Menschenrechtskonvention tatsächlich durchführbar ist und bezieht dabei die aktuellen Lageberichte u. a. des Auswärtigen Amtes ein. Eine subjektive Bewertung der Kirchengemeinden zur Lage einzelner EU-Mitgliedsstaaten in Bezug auf die Durchführbarkeit von Asylverfahren ist sachlich unbegründet.
 
Die Länder agieren in Dublinverfahren lediglich in Vollzugshilfe für das BAMF, indem sie die Überstellungen organisieren und vollziehen.
 
Zu dem aktuellen Sachverhalt:
 
Entgegen der Aussage der Kirchengemeinde sind die persönlichen Umstände jedes Familienmitgliedes vorliegend durch das BAMF mittels Dossierverfahren mit dem Ergebnis geprüft worden, dass kein Härtefall vorliegt.
 
Nach dem in diesem Einzelfall negativ abgeschlossenen Dossierverfahren hat die zuständige Ausländerbehörde die Überstellung eingeleitet. Die LAB NI hat die tatsächliche Überstellung mit Vollzugshilfe der Landespolizei durchgeführt. Es klingelten lediglich zwei Verwaltungsvollzugsbeamte der LAB NI und zwei weitere in Zivil bekleidete Polizeibeamte. Sechs weitere Polizeibeamte hielten sich auf dem Grundstück auf, um eine mögliche Vereitelung der Maßnahme sicherzustellen.
 
Das Betreten der Räumlichkeiten war durch einen richterlichen Durchsuchungsbeschluss untermauert und zudem auf die nicht-sakralen Räumlichkeiten der Kirchengemeinde beschränkt.
 
Eine Konsultation des aufnehmenden EU-Mitgliedsstaates Spanien ist ebenfalls erfolgt, dieser hat die Rückübernahme der Personen im Vorhinein gegenüber dem BAMF zu genehmigen und im konkreten Fall auch genehmigt."
 
Foto (oh): Landesaufnahmebehörde