Himbergen/Lüneburg. Fünf Tote und noch mehr Rätsel – das Jahr 1989 wird für die Ermittler der Lüneburger Polizei zu einer ihrer größten Herausforderungen, die immer noch andauert. Bis heute ermittelt ein Team mit Nachdruck in Sachen der brutalen Morde, die seinerzeit in der Göhrde begangen worden. Zwei Paare, eins davon Kurgäste aus dem nahen Bad Bevensen, die an einem heißen Sommertag offenbar romantische Stunden verbringen wollten, werden in kurzem Abstand erschossen oder grausam erschlagen. Im gleichen Jahr verschwindet die Lüneburgerin Birgit Meier. Jahrelang wird ihr Mann zu Unrecht verdächtigt – bis ihr einbetonierter Leichnam im Haus des Lüneburger Friedhofsgärtners Kurt-Werner Wichmann entdeckt wird.
Wichmann, der sich 1993 in Untersuchungshaft erhängte, gilt in allen Fällen als der Hauptverdächtige. Aber: In beiden Göhrde-Fällen hatte der Täter seinen Opfern Fahrzeugschlüssel abgenommen und war mit den Autos noch mehrere Tage umhergefahren. Eines von ihnen wurde später vor der Kurklinik Bad Bevensen gefunden. Nur: Wenn der Täter mit den Autos aus der Göhrde weggefahren war – wie kam er dann dort hin? Es drängt sich der Gedanke an einen Mittäter auf, der vermutlich bis heute frei herumläuft.
Und das lässt der Lüneburger Polizei ganz und gar keine Ruhe. Erst im März dieses Jahres wurde die temporäre „Ermittlungsgruppe Göhrde“ der Polizeidirektion Lüneburg zur Organisationsstruktur des Sachgebietes Cold Case zugeordnet. Die Ermittlungen laufen mit Hochdruck weiter. In diesem Sommer kamen die Beamten an einen Zettel mit einer Telefonnummer aus dem Umfeld des Verdächtigen. Ein Aufruf nach einem Telefonbuch aus dem Jahr 1989 führte jetzt tatsächlich zu einem Ergebnis: Ein Helfer aus der Bevölkerung konnte noch ein Exemplar zur Verfügung stellen.
„Das Telefonbuch aus dem Jahre 1989 liegt den Ermittlerinnen und Ermittlern des Sachgebiets Cold Case nunmehr vor. Die dem Telefonbuch entnommenen Daten dienen der Bearbeitung einer Spur des Ermittlungskomplexes Göhrde“, erklärt Julia Graefe, Sprecherin der Polizei Lüneburg auf Anfrage der Uelzener Nachrichten. Aus ermittlungstaktischen Gründen können derzeit aber keine weiterführenden Auskünfte zu der Bearbeitung einzelner Spuren gegeben werden.
Die Polizeisprecherin betont: Die Ermittlungen zu den sogenannten „Göhrde-Morden“ werden nach wie vor mit hohem Engagement betrieben. Sowohl die kriminaltaktische Ausrichtung als auch die betriebene Ermittlungstiefe haben höchste Priorität. Graefe weiter: „Die Göhrde-Morde und der Tod von Birgit Meier sind zwei seit jeher voneinander getrennt geführte Ermittlungsverfahren. Der Fall Birgit Meier gilt gemäß der Staatsanwaltschaft Lüneburg als abgeschlossen. Erkenntnisse aus diesem Fall finden im Ermittlungskomplex Göhrde dahingehend Berücksichtigung, als beide Ermittlungsverfahren Kurt-Werner Wichmann als mutmaßlichen Täter führen. Die Ermittlungen richten sich jedoch weiterhin auch gegen einen mutmaßlichen und noch lebenden Mittäter.“
Wichmann, geboren 1949 im Landkreis Lüneburg, war schon als Jugendlicher wegen Sexual- und Gewalttaten verurteilt worden. 1968 wurde eine Frau in Lüneburg erschossen. Zeugen sahen einen Jugendlichen davonlaufen, auf den die Beschreibung Wichmanns passte. Er wurde aber nicht belangt. 1970 vergewaltigte er eine Anhalterin und wurde zu fünfeinhalb Jahren Jugendstrafe verurteilt. Als er mehrere Jahre mit einer deutlich älteren Frau in Karlsruhe zusammenwohnte, wurden dort in der Zeit mehrere Frauen ermordet, die Fälle sind bis heute nicht aufgeklärt. Wichmann galt im Bekanntenkreis als eitel und unnahbar. Er trug stets, auch im Sommer, lange Ledermäntel und Handschuhe. Blonde Föhnfrisur und Sonnenbrille waren weitere Markenzeichen des Mannes, der vielen Zeugen wegen seines durchdringenden Blicks in Erinnerung blieb. Ein Komplize dürfte vermutlich ähnlich gefährlich sein.
Foto (Polizei): Auf dem Grundstück des Hauptverdächtigen Kurt-Werner Wichmann hat die Polizei immer wieder gegraben und Gegenstände gefunden – bis hin zu einem kompletten amerikanischen Sportwagen und Frauenschuhen.