
Uelzen/Landkreis. Waldemar Golnik vom NABU ist seit Jahrzehnten Experte für Schleiereulen. Was er derzeit erlebt, macht den Umweltschützer höchst besorgt: Im Landkreis Uelzen zählte Golnik in diesem Jahr 109 Schleiereulenbruten. 14 davon blieben erfolglos. Das liegt weit über dem Durchschnitt der letzten Jahre.
„So ein dramatisches Eulensterben habe ich in fast 40 Jahren Schleiereulenschutz noch nicht erlebt“, kommentiert Golnik das diesjährige Brutgeschehen. „Direkt nach dem Schlüpfen habe ich oft vier bis fünf Junge pro Nest gezählt, aber als ich nach einigen Wochen zum Beringen zurückkam, hatte oft nur noch ein Junges pro Nest überlebt.“
Besonders erschüttert war Golnik darüber, dass in einigen Fällen das Gelege ganz aufgegeben wurde. Häufig waren die geschlüpften Jungen bei der späteren Beringung einfach verschwunden. Er vermutet, dass die Altvögel in ihrer Verzweiflung, keine Nahrung zu finden, ihre eigenen Jungen gefressen haben. „Meine Kolleg*innen aus dem Landkreis machen ähnliche Erfahrungen - das bereitet mir große Sorgen“, berichtet der Vogelschützer.
Golnik führt die Misere auf die ungewöhnlich starken Regenfälle in diesem Jahr zurück: „Die Bauern konnten ihre Wiesen lange nicht mähen, weil der Boden zu nass war. Das Gras wuchs ungehindert in die Höhe, was die Jagd für die Schleiereulen fast unmöglich machte.“ Als nachtaktive Jäger sind Schleiereulen auf Wiesen und Weiden unterwegs, wo sie vor allem Wühl- und Spitzmäuse erbeuten. Andere Eulenarten sind vielseitiger und fressen auch Käfer oder Vögel, aber die Schleiereule ist zu 90 Prozent von Mäusen abhängig.
Die Folgen schildert Golnik eindrücklich: „Viele Mäuse sind in den unterirdischen Gängen ertrunken und der starke Rückgang der Mäuse machte sich sofort bemerkbar: Nach einem Unwetter habe ich in einem Nest, in dem vorher vier bis fünf Junge saßen, nur noch ein Junges ausmachen können. In einigen Fällen waren die verbliebenen Küken gezwungen, ihre toten Geschwister zu fressen, um selbst zu überleben. Das erklärt, warum selbst bei erfolgreichen Bruten so wenige Junge durchkommen.”
Obwohl die Schleiereule derzeit als nicht gefährdet gilt, warnt Bärbel Rogoschik, Leiterin des NABU-Artenschutzzentrums Leiferde: „Schleiereulen reagieren extrem empfindlich auf schwankendes Nahrungsangebot. Sie können keine Fettreserven anlegen und sind deshalb darauf angewiesen, regelmäßig Nahrung zu finden. Sie sind somit gefährdeter als andere Arten“.
Eine Übersicht über die Bestandssituation der Schleiereule im Kreis Uelzen seit 2002 finden Sie hier.
Foto: NABU-Kreisgruppe Uelzen