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Landkreis Uelzen

Europawahl: Uelzener Politiker warnen angesichts von Übergriffen und Zerstörungen in Ostdeutschland vor zunehmender Verrohung

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Von Michael Michalzik. Uelzen/Landkreis. Die brutale Attacke auf den sächsischen SPD-Europaabgeordneten hat bundesweit Schlagzeilen gemacht. Weitere Übergriffe auf Politiker und Plakatierer sowie Beschädigungen von Wahlplakaten folgten. Wie ist die Stimmung angesichts dieser Vorkommnisse bei den politischen Vertretern in unserer Region? Die Uelzener Nachrichten fragten nach.

Der für Uelzen zuständige SPD-Bundestagsabgeordnete Dirk-Ulrich Mende: „Ich bin als Bundestagsabgeordneter selbst nur unterstützend im Europawahlkampf unterwegs. Insofern habe ich kein eigenes Team, das gestört oder angegriffen werden könnte. 

Tatsächlich ist mir aufgefallen, dass deutlich häufiger als in den letzten Wahlkämpfen Wahlplakate beschmiert oder gar zerstört werden. Es drängt sich der Eindruck auf, dass anders als früher nicht nur jugendlicher Unfug und Alkohol dazu beitragen, sondern Wut auf ‚die da oben‘ ausgelebt wird. Teilweise muss man vermuten, dass sich zu diesen Taten auch gezielt verabredet wird. 

Heiner Scholing, Kreisvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen, hat nach Rücksprache mit einer Firma, die Großplakate aufstellt, von dort erfahren, dass im derzeitigen Europawahlkampf immer wieder Plakate zerstört werden – vor allem die der Grünen: „Hier im Landkreis ist es glücklicherweise noch eher entspannt. Es hat auch keine Angriffe auf Plakatierer gegeben. Dennoch: Allein würde ich nicht zum Plakat-Aufhängen gehen.“ Die Grünen seien es, die auf Bundesebene am lautesten sagten, was verändert werden müsse: „Das zieht offenbar Unmut auf sich.“

Dirk-Ulrich Mende beobachtet insgesamt eine zunehmende Rohheit, die inzwischen auch vor Gewalt und körperlicher Auseinandersetzung nicht zurückschrecke: „Erschreckend ist, dass man sich offenbar dazu gezielt verabredet. Gerade aus den neuen Bundesländern höre ich, über den Einzelfall mit dem Kollegen Ecke hinaus, von vielen vergleichbaren Versuchen, die Genossinnen und Genossen einzuschüchtern.“

Auch Scholing hält fest: „Was in Dresden vorgefallen ist, ist hier nicht der Fall.“ Dennoch: „Wir sind hier natürlich trotzdem angespitzt. Wir sind nicht naiv.“ Die Demokraten in Deutschland müssten gegen demokratiefeindliche Bestrebungen noch sehr viel deutlicher und lauter werden: „Da erwarte ich viel mehr Schulterschluss.“ 

Mende warnt: „Solche Vorkommnisse halte ich für erschreckende Attacken auf die Demokratie insgesamt. Sie erinnern an die marodierenden Schlägertrupps der Nazis. Auch als Geschäftsführer des Niedersächsischen Städtetags habe ich eine Vielzahl von Hinweisen auf Drohungen gegenüber Mandatsträgern erhalten. Der NST hat dazu Umfragen unter den Mitgliedern gemacht und die Politik adressiert.“ Der Jurist und frühere Oberbürgermeister der Stadt Celle betont: „Ich halte es neben den diskutierten Strafverschärfungen vor allem für notwendig, unnachgiebig zu ermitteln und entsprechende Taten aufzuklären und schnell zur Anklage zu bringen. Ebenso sollten entsprechende gerichtliche Verfahren sehr schnell durchgeführt werden. Die Täter müssen wissen, dass sie in einer wehrhaften Demokratie leben. Wehrhaft bedeutet dann eben auch zügige Strafverfahren.“

Symbolfoto: privat