Landkreis Uelzen
Berlin-Tagebuch unserer FDP-Bundestagsabgeordneten Anja Schulz (Teil 33): "Unser Sozialstaat ist nicht gottgegeben. Er wurde hart erarbeitet"
Hallo Uelzen,
ein letztes Mal vor der Sommerpause melde ich mich heute mit einem neuen Tagebucheintrag aus einer ereignisreichen Doppelsitzungswoche.
Wie Sie sicherlich mitbekommen haben, dreht sich aktuell fast alles um die laufenden Haushaltsverhandlungen für das Jahr 2025. Im Fokus steht die 2011 in das Grundgesetz aufgenommene Schuldenbremse, welche die Neuverschuldung des Staates begrenzt. Dabei spielt selbstverständlich die wirtschaftliche Entwicklung immer eine Rolle und wird in der sog. Konjukturkomponente berücksichtigt. Die Idee dahinter ist, dass der Staat grundsätzlich mit dem eingenommenen Geld (Steuern - also Geld der Bürgerinnen und Bürger) auszukommen hat und sich nicht unbegrenzt verschulden darf. Denn die Neuverschuldung von heute belastet vor allem die nachfolgenden Generationen und schränkt ein, indem immer mehr Geld für die Zahlung von Zinsen verwendet werden muss, den politischen Spielraum ein.
Zum Vergleich: Der Bund hat 2021 noch 3,9 Milliarden Euro jährlich für die Zahlung von Zinsen aufwenden müssen. Im Jahr 2023 waren es bereits 37,6 Milliarden Euro. Diese Entwicklung ist nicht auf Neuverschuldung zurückzuführen, sondern die lediglich auf Altschulden, die deren Zinssätze sich geändert habe. Sie können sich das vorstellen wie bei einem Hauskauf. Der Zinssatz für das Darlehen wird oftmals nur für 10 bis 20 Jahre festgeschrieben. Danach ist noch immer ein Darlehen übrig. Dann muss der Kreditnehmer neu mit der Bank verhandeln. Wenn die Zinsen gestiegen sind, kann es sein, dass trotz bereits erfolgter Tilgung die Kreditrate höher ist. Ähnlich verhält es sich beim Staat. Wenn die Refinanzierungszinsen steigen, steigen auch die Zinsaufgaben für den Bund enorm an. Dieses Geld fehlt im Haushalt zur Modernisierung unseres Landes, weshalb es fiskalpolitisch unsinnig wäre, jetzt umfassende Neuverschuldung zu ermöglichen. Als junge Gruppe innerhalb der FDP-Fraktion haben wir uns klar gegen ein Aufweichen der Schuldenbremse ausgesprochen. Das wünscht sich im Übrigen auch die große Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger. Die Politik muss lernen mit ihrem Budget auszukommen. Bund und Länder haben Rekordsteuereinnahmen. Schon der vergangene Haushalt war mitnichten ein Sparhaushalt, denn die Investitionsquote hat sich signifikant erhöht.
Anfang der Woche fand die Deutsch-Nordischen Parlamentariergruppe, deren stellvertretende Vorsitzende ich bin, wieder zusammen. Die Parlamentariergruppen sind interfraktionelle Zusammenschlüsse, die den Austausch mit Parlamentarierin in anderen Ländern fördern. Dabei werden Gemeinsamkeiten ebenso beleuchtet wie Unterschiede und die Möglichkeit voneinander zu lernen forciert. Diese Austausche finden nicht nur in digitaler Form, sondern auch auf Delegationsreisen statt. Die nächste Reise der Deutsch-Nordischen Parlamentariergruppe wird nach Island zur Konferenz des Nordischen Rates führen.
Bei der Sitzung des Beirats Finanzen der Strukturgesellschaft zum Thema "Das Generationenkapital - Stillstand auf dem Weg zur Aktienrente?" durfte ich im Anschluss einen Vortrag halten und konnte mich mit Wissenschaftlern und anderen Abgeordneten austauschen.
Neben vielen weiteren Terminen ging es am Mittwoch mit einer Rede zur Stabilität und Nachhaltigkeit der Finanzierung der Sozialversicherung weiter. Eine neue Studie prognostiziert einen Anstieg der Sozialversicherungsbeiträge in Deutschland bis 2035 um 7,5 %-Punkte auf insgesamt 48,6 % , im ungünstigsten Fall sogar über 50 %. Hauptursache ist die Alterung der Bevölkerung, die alle Sozialversicherungen belastet. Eine florierende Wirtschaft ist für die Stabilisierung unserer Sozialversicherungen der beste Motor. Doch derzeit leidet Deutschland unter hoher Bürokratie, Fachkräftemangel und abwandernden Investitionen. Mit dem vierten Bürokratieentlastungsgesetz wollen wir die Unternehmen um eine Milliarde Euro entlasten, indem weniger Geld und wertvolle Zeit in Bürokratie und Personal gesteckt werden müssen. Denn klar ist: Unser Sozialstaat ist nicht gottgegeben. Er wurde hart erarbeitet. Nur wenn wir unseren erarbeiteten Wohlstand nachhaltig absichern, können wir uns nachhaltige Sozialversicherungen leisten.
Am Donnerstag durfte ich dann noch eine weitere Rede zu einem Antrag von DIE LINKE halten. DIE LINKE fordert in ihrem Antrag den Umrechnungsfaktor, der die Löhne in Ostdeutschland für die Rentenberechnung höher bewertet beibehalten. Ziel dieser Umrechnung war es damals, dass die niedrigeren Löhne im Osten nicht zu niedrigen Renten führen. Damals war das sinnvoll, aber heute kann man in Potsdam, Dresden, Leipzig oder Jena genauso viel verdienen wie in Bremen, Würzburg oder Osnabrück. Dazu kommt, dass der Umrechnungsfaktor im Jahr 2024 nur noch bei sehr geringen und kaum spürbaren 1,014 % liegt. Hinzu kommt, dass die durchschnittlichen Gesetzlichen Rentenzahlungen in den ostdeutschen Bundesländern sogar höher liegen als im Westen. Die Ursache für die Unterschiede beim gesamten Renteneinkommen liegt ganz woanders.
Mitte der Woche durfte ich eine Delegation der FDP-Fraktion aus dem hessischen Landtag zu einem Fachaustausch begrüßen. Gemeinsam haben wir über den aktuellen Stand der finanziellen Bildung, entsprechende Verbesserungsvorschläge sowie das Rentenpaket II und die Reform der geförderten, privaten Altersvorsorge gesprochen. Solche Termine sind von großer Bedeutung, um Erkenntnisse und Sichtweisen austauschen und gemeinsame Agenden aufzustellen. Denn am besten ist es, wenn Bund und Länder gut zusammenarbeiten, um ein gemeinsames Ziel zu erreichen.
Neben Ausschusssitzungen und Plenardebatten fanden auch einige Abstimmungen und Wahlen statt. Denn ab nächster Woche beginnt die Parlamentarische Sommerpause bis ab September die Sitzungen in Berlin wieder starten. Natürlich bedeutet die Sommerpause jetzt nicht, dass Abgeordnete zwei Monate frei haben. In dieser Zeit werde ich im Wahlkreis unterwegs sein, Gespräche mit Bürger, Vereinen, Verbänden und Unternehmen führen. So kann ich Eindrücke sammeln und hören welche Bedürfnisse und Sorgen, die Menschen vor Ort beschäftigen, um diese Themen anschließend mit nach Berlin zu nehmen und sie in die Politik mit einfließen zu lassen. Außerdem finden in der Sommerpause Klausurtagungen der Arbeitsgruppen und der Fraktion statt. Auch ist bei meinen Fachbereichen der Alterssicherung und des Kapitalmarktes mit einigen Presseanfragen in dieser Zeit zu rechnen. Dennoch werde ich natürlich auch einen Sommerurlaub machen, um zwei Wochen einfach mal anschalten und entspannen zu können. Dann kann es im September im politischen Berlin wieder richtig los gehen.
Genießen Sie den Sommer, bis bald!
Ihre
Anja Schulz
Foto: Bundestag